«Das Leben wird positiver, man wird freier und gelassener»
Ebikon, 6. September 2017 – Da hat es einige Reaktionen auf Ulrikes Sommerferien-Blog gegeben. Viel Zuspruch, aber auch: «nicht alle können in ihrem Traumjob arbeiten», viele müssen «Geld verdienen und eine Familie ernähren». Und «den Job zu wechseln, ist heutzutage schwierig». Wir fragen unsere Coaching-Dozentin Monika Lanz, was man da tun kann.
Monika Lanz: Gab ihren Beruf auf, seither hat sie keine Migräne mehr. Ein falscher Beruf kann krankmachen, auch, eine unbefriedigende Lebenssituation. Um die Situation zu ändern, sei es wichtig, auf die eigenen und «eigentlichsten» Bedürfnisse zu achten, dabei die Bedürfnisse des Partners und der Familie einzubeziehen. Photo: HPS
Dass wir auf die Fragen, die es zu Ulrikes Sommerferien-Blog gegeben hat, Monika Lanz fragen, ist kein Zufall: Sie weiss, wovon sie spricht, denn auch sie hat sich von einem Beruf befreit, von einem nämlich, der ihr Migräne brachte. Dazu haben wir Monika sogar interviewt: «Ich will den Menschen die Türen öffnen, damit sie sich selbst entdecken».
Monika, nicht alle können sich im Beruf selbst entfalten, auch wenn sie es möchten. Wie siehst du das?
Ja, für manche ist der Beruf einfach ein Geld-Verdienen, nötig aus der Situation heraus. Aber es ist schon wichtig, dass man etwas findet, das einem Sinn gibt.
Auch in einer Routine-Tätigkeit?
Ja, schau, für uns alle bilden die folgenden Kriterien eine wichtige Basis im Leben – auch aus gesundheitlicher Sicht: Sinn, basierend auf Werten, Beziehungen, Identität.
Kannst du das konkretisieren?
Ja, befrage dich zu deinen eigentlichsten Bedürfnissen:
- Was macht für mich Sinn? Was ist mir wichtig? Welches sind meine Werte?
- Welche Beziehungen, welche Netzwerke pflege ich? Welche tun mir gut?
- Und weiter zu Identität: Wer bin ich wirklich? Was macht mir Freude?
Und dann?
Wenn du dann siehst, dass nur schon ein kleiner Teil dieser eigentlichsten Bedürfnisse im Beruf realisiert werden kann, ist das doch ein positiver Anfang. Du kannst dich genau auf diesen Teil konzentrieren, und von dieser Warte aus deiner Routinetätigkeit Sinn geben. Um jedoch langfristig körperlich und psychisch gesund zu bleiben, müsste schon ein grosser Teil dieser Bedürfnisse mit deinen täglichen Aufgaben mehr oder weniger übereinstimmen.
Und wenn nicht, hiesse das, ich sollte den Job wechseln, um gesund zu bleiben?
Es kann soweit kommen, ja. Und da ist auch genau der Einwand richtig: Es ist heutzutage tatsächlich nicht einfach, den Job zu wechseln.
Also, was tun?
Im Alltag äussert sich diese Routine ja meist in ziemlich diffusen Gefühlen des Unbehagens. Deshalb ist es zunächst ganz wichtig, dass ich mir meine Realität eingestehe. Dass ich mir laut sage: Da stimmt etwas nicht. Sich das einzugestehen, und zwar laut oder schriftlich, das ist der erste Schritt. Allein dadurch kannst du schon selbstverantwortlich eine Veränderung einleiten. Und zwar bevor das Unbehagen dich überrollt und du zum Beispiel mit einem Burnout oder einer Depression in die Klinik musst. Das ist dann die ultimative Chance zu erkennen: Ich brauche einen Neuanfang. So oder so, besonders auch, wenn eine Familie von dem Gehalt abhängt, sollte man in kleinen Schritten beginnen, die Situation zu ändern.
Wie sehen diese kleinen Schritte aus?
Zuerst ist es wichtig, dass du wieder kleine Freuden im Leben findest. Du sollst dir selbst bewusst machen, was genau dir solche kleinen Glücksmomente beschert. Wir dürfen wieder lernen, dass nicht nur Grosses Freude macht: ein Karrieresprung, das zweite Auto, sondern schon ein besonders schönes Blümchen am Wegrand. Es geht darum, die Gedanken auf das Positive zu lenken. Wir wissen heute: Im Grunde genommen habe ich in jeder Situation die Wahl, vor allem die Wahl der Gedanken.
Das ist aber ein ganz kleiner Trost.
Im Gegenteil. Denn spätestens mit der Quantenphysik lässt sich erklären, welchen Einfluss Gedanken auf uns selbst und unser Umfeld haben, sowohl positive wie negative. Und spätestens dank Gerald Hüther wissen wir auch, dass unser Gehirn nie ausgelernt hat: Wir können sogar negative Gedanken, die uns nur mehr und mehr runterziehen, loswerden.
Hast du ein paar Beispiele für solche negative Gedanken?
Solche negativen Gedanken kennen ja die meisten von uns. Es ist das Hamsterrad, das sagt: «Jetzt bin ich schon wieder zu spät, weil der Bus nicht rechtzeitig gefahren ist.» Oder: «Die Arbeit konnte ich nicht rechtzeitig erledigen, weil mein Kollege das Mail nicht beantwortet hat.» Wenn wir in diesem Hamsterrad bleiben oder gar bleiben wollen, hat die Natur nicht selten eine Krankheit parat, vielleicht sogar einen Unfall – und das, wage ich zu sagen, „tut“ die Natur nur „in bester Absicht“, nämlich um uns eine Lernchance zu geben. – Die Natur strebt nach dem für uns Guten, Selbstheilung ist hier ein Stichwort. Also, beobachte dein Leben, sei ehrlich zu dir – und du verstehst so vieles, früh genug!
Wie werde ich die negativen Gedanken los, das Hamsterrad?
Dazu sollten wir lernen, in jeder Situation Selbstverantwortung zu übernehmen und auch das Positive zu sehen. Beim Beispiel mit dem verpassten Bus ginge das etwa so: Ist der Termin wirklich wichtig? – Dann nehme ich das nächste Mal sicherheitshalber einen Bus früher. Und das Positive zu sehen: Ich merke mal wieder, wie gut es auch für die Nerven ist, genügend Zeit zu haben, sie sich zu nehmen – das sollte ich vielleicht öfter machen.
Und beim anderen Beispiel?
Da könnte ich mich fragen: Hätte ich rechtzeitig nachfragen sollen, wenn die Antwort so wichtig ist? Oder vielleicht direkt erwähnen können, wann ich sie spätestens brauche? Vielleicht wäre ich sogar besser die paar Schritte zu ihm ins Büro gegangen anstatt ein Mail zu schreiben, ist ja eine sympathische Person? Das Positive: Schön, wenn ich dabei wieder erkenne, dass Mails zwar praktisch sind, ein persönlicher Kontakt dennoch ganz viel Positives an sich haben kann – das nächste Mal mache ich es genau so. Jedes Mal, wenn wir das Positive sehen, wird das Hirn neu verdrahtet und gleichzeitig werden diese neuen Verdrahtungen verstärkt. So, dass auf einmal Zuversicht zu einer unserer Charaktereigenschaften gehört – wir können also nicht nur den Computer umprogrammieren, sondern auch uns selbst.
Dann sehe ich die Dinge positiver. Inwiefern hilft mir das?
Was mache ich in einer Stresssituation normalerweise, geradezu automatisch? Ich mache zu. Aber idealerweise mache ich einen Schritt zurück, vor allem innerlich, und atme erst einmal tief durch. Und was hat der Körper davon? Er entspannt sich. Positive Gedanken entspannen mich aufs Erste, das ist gesund für Körper, Seele, Geist. Vieles kann wieder ins Rollen kommen. Ständig auf das Negative ausgerichtet zu sein, das verkrampft und braucht Energie. Die Natur – Gerhard Hüther weist dies auch in der Gehirnforschung nach – ist darauf aus, möglichst energiesparend zu arbeiten. Kleine Freuden wiederzusehen, belebt auf allen Ebenen.
Wie ist es, wenn man vielleicht schon Jahre in einem Betrieb arbeitet, mittlerweile in einer Spezialistenfunktion oder in der Führung, auch entsprechend verdient. Als eine solche Person, woran merke ich, dass ich mich so langsam beruflich verändern sollte? Obwohl ja alles tipptopp scheint?
Es ist egal, ob man als Reinigungskraft oder auf den sogenannt höheren Etagen arbeitet: Wir alle haben die Fähigkeit der Empfindung, der Emotionen und des Gefühls mit in die Wiege bekommen: Während sich die Reinigungskraft vielleicht noch an einer zufälligen Begegnung erfreut, spürt manch eine SpezialistIn oder manche Führungskraft womöglich eine Leere in sich. Oder ständige Überforderung, Druck, Unruhe – und das sind längst Anzeichen dafür, dass eine Veränderung ansteht, auch wenn das Geld stimmt.
Also wieder auf die Bedürfnisse achten?
Ja, genau: Sinn, Beziehungen, Identität, diese Bedürfnisse stehen im Zentrum. Ich kenne übrigens Fachleute und Führungskräfte, die ihren Beruf als Berufung machen, da er ihnen Sinn gibt und ihren Werten entspricht. Das sind zum Beispiel die Werte, Dingen gewissenhaft nachzugehen oder Menschen zu unterstützen. Sie sind in dem für sie richtigen Umfeld mit den richtigen Kontakten und können sich als Mensch mit dieser Aufgabe identifizieren. Aber auch da kann es passieren, dass sich das verändert oder schon zu Beginn nicht so ist. Dann kommt die Leere. Vielleicht auch in Form von Widerstand: Ich muss dieses Geld verdienen, habe Familie zu Hause. Doch Hand aufs Herz: Was steckt da noch dahinter? Was drunter? Und wie lässt sich die Situation verbessern, und zwar zum Wohle aller, also auch der Familie?
So kommt also eigentlich jede und jeder mal in die Situation, den beruflichen Alltag, vielleicht auch den privaten, zu hinterfragen.
Ja, schliesslich bleiben wir nicht stehen im Leben. Die Bedürfnisse sind die Grundlage, die muss man klären. Dann auf das Positive achten, die Gedanken darauf lenken, dem Gehirn die Gelegenheit geben, sich neu zu verdrahten.
Das dauert dann etwas.
Ja, klar, aber es lohnt sich. Das Leben wird positiver, man wird freier und gelassener, ja, humorvoller. Und Veränderungen kann man dann in kleinen Schritten einleiten. Sich vielleicht vornehmen, sich auf dem Arbeitsmarkt umzusehen. Oder wenn man im Prozess merkt, dass einem eine andere Aufgabe, ein anderer Beruf viel mehr entspräche, weil man da eben mehr oder sogar passend zu den eigentlichen Bedürfnissen arbeiten kann, könnte man sich entsprechend informieren und dann einen Plan schmieden. Man hat sicher nicht sofort einen neuen Job, aber vielleicht in einem Jahr. Und irgendwann muss man anfangen, etwas zu ändern, sonst zieht man sich nur herunter.
Danke, Monika, für das Gespräch.
Ja, gern. Weisst du, was mir grad einfällt? Eine Anleitung wäre ganz gut, also einige konkrete Schritte, wie man aus einer unbefriedigenden Situation rauskommt. Ich melde mich.
Ah, prima!
Monika hat die Anleitung gleich nach unserem Interview verfasst und sie uns geschickt, und da ist sie: In sieben Schritten raus aus dem Hamsterrad.
Monika ist Dozentin FH, dipl. Bioenergie-Therapeutin und hat einen Abschluss in Tiefenpsychologie ISAP. Monika arbeitet in ihrer Praxis mit dem ZRM (Zürcher Ressourcen Modell).
Hier noch zum Thema Geld
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