Ahh, mmmh, mpf, UPF!
Ebikon/ Hitzkirch, 11. April 2024 – Hochverarbeitete Lebensmittel sind schnell auf dem Teller, und sie schmecken. Und stehen eng mit 32 Krankheiten in Verbindung. Zu diesen UPF (ultra processed foods) befragen wir Ernährungsspezialistin Silvia Schmid.
Richtet man da UPF an? Also ultra processed food, auf deutsch: hochverarbeitete Lebensmittel? Eher nein. Denn eine Übersichtsstudie zeigt zum Beispiel ein höheres Risiko für Herzkrankheiten, Krebs, Typ-2-Diabetes, negative Auswirkung auf die psychische Gesundheit und ein früher Tod durch UPF. Im Ayurveda, der TCM und der TEN ahnt man das schon lange, und jetzt wissen wir das also auch westmedizinisch. Foto: Pixabay
Die Übersichtsstudie...
... hat es in sich: Sie zeigt, dass hochverarbeitete Lebensmittel (UPF, ultra processed food) in direkter Verbindung mit 32 Krankheiten stehen. Veröffentlicht ist die Studie im British Medical Journal (Quellen siehe unten).
Konkret sind UPF...
... verpackte Backwaren und Snacks, kohlensäurehaltige Getränke, zuckerhaltige Cerealien, Proteinriegel und Fertiggerichte. Gemeinsam ist ihnen, dass sie mehrfach industriell verarbeitet sind, häufig Farbstoffe enthalten und Emulgatoren, Aromen und andere Zusatzstoffe sowie oft auch viel Zucker, Fett und Salz, aber wenig Vitamine und Ballaststoffe.
Also, Silvia Schmid, ganz schön dicke Post. Aber man hätte es ja ahnen können, oder was meinst du?
Es überrascht mich nicht. Es gibt ja verschiedene kritische Stimmen, welche auch Bücher schreiben, die diese Idee schon länger vertreten. Und wenn man weiss, wie die UPF hergestellt werden, dann könnte es schon in diese nicht nur ungesunde, sondern sogar gefährliche Richtung gehen: Da stehen weniger Bio-Qualität und behutsames Zubereiten im Vordergrund als mehr der Profit und die Möglichkeit, alles mit möglichst wenig Aufwand herzustellen.
Was sagst du da aus TCM- und oder TEN-Sicht dazu? Trüber Schleim? Benebelt den Kopf?
Ja, einen gemeinsamen Nenner würde ich darin suchen, dass hochverarbeitete Nahrungsmittel in der Regel zu viel Zucker und schlechte Fette enthalten. Das wiederum schwächt das Verdauungssystem und es entstehen Schlacken. In der TCM Feuchtigkeit genannt. Dies wiederum kann zu schweren Gedanken führen und zu Beschwerden am Bewegungsapparat. Wenn diese Feuchtigkeit länger im System stehen bleibt und eindickt, wie die TCM das nennt, entsteht Schleim. Das ist auch so ein wichtiger TCM-Begriff. Dies wiederum würde die westliche Medizin als Zysten, Tumore, Geschwüre interpretieren. Also so weit hergeholt sind die Befunde der Studie aus TCM-Sicht daher nicht.
Was ist eigentlich das Problem mit Kohlensäure? Gegen Wasser mit Sprudel ist doch nichts einzuwenden?
Bei der Kohlensäure ist es die Säure, die das System sauer machen. Das stille Wasser ist daher dem prickelnden Spass vorzuziehen. Aber klar darf es auch ab und zu Kohlensäure sein. Wichtig ist, genügend zu trinken, sodass die Zellen überflüssige Säuren, Schlackenstoffe oder auch Toxine loswerden und über die Nieren ausschwemmen können. Zudem ist genügend zu trinken auch für den Teint sehr gut. Man wirkt etwas frischer und jünger. Das schadet sicher nicht.
Es gibt ja all diese Fleischersatzprodukte, z.B. aus Erbsen, Pilzen, Weizen. Ist da jetzt ein Steak doch gesünder?
Hm…. ein Steak aus einer artgerechten, biologischen Haltung, aus der Region, ist sicher besser als ein hochverarbeitetes Fleischersatzprodukt. Ich denke, wir werden in ferner oder vielleicht schon etwas näherer Zukunft die Auswirkungen der Fleischersatzprodukte kennenlernen. Ich finde es nach wie vor besser, aus frischen Zutaten Gerichte zu zaubern. Ja, es braucht etwas Zeit, aber dafür weiss man, was drin steckt. Und es schmeckt und ist zudem noch viel bekömmlicher.
Und Tofu ist ja eigentlich auch etwas ziemlich Verarbeitetes? Was ist eigentlich Tofu?
Es geht. Tofu ist eine Art Soja-Käse. Man nimmt die Sojamilch und gibt ein Gerinnungsmittel dazu, etwas Zitronensaft zum Beispiel. Die Eiweisse flocken dann aus und lassen sich abschöpfen und zu einem Tofu-Kuchen pressen. Wie du siehst, ist es also nicht sonderlich hochverarbeitet. Übrigens, im Modul Kochen Spezial stellen wir am 3. Kurstag selber Tofu her, von der Sojabohne über die Sojamilch zum Sojakäse, also Tofu. Eine tolle Erfahrung.
Nicht nur körperliche Krankheiten, sondern auch psychische, z.B. Angststörungen, Depressionen, hängen eng mit UPF zusammen. Wie erklärt sich das?
Ich würde die Erklärung darin suchen, dass unser System aus Körper, Seele und Geist besteht. Wenn also eine Instanz nicht mehr richtig funktioniert, also zum Beispiel zu viel Feuchtigkeit lagert, kann sich das auf die beiden anderen Instanzen ausweiten. So werden zum Beispiel die Gedanken schwer und trübe, und bald steckt man in einer depressiven Verstimmung. Es kommt auf die bestehende Belastung an. Ernährung und Lebensführung spielen da natürlich eine grosse Rolle. Als TherapeutIn der KomplementärTherapie und auch der Alternativmedizin ist es mir wichtig den Menschen als Ganzes zu betrachten und seine Ressourcen in den Therapieprozess miteinzubeziehen. Ebenso ist es wichtig, die Lebensumstände, also zum Beispiel Ernährung und soziale Struktur, zu betrachten und in den Prozess miteinzubeziehen.
Auf der Liste stehen nicht: Fleisch, Bier, Wein, Kaffee, Sauerkraut. Zufall?
Nein, das ist kein Zufall. Diese Nahrungsmittel sind ja in der Regel nicht hochverarbeitet und enthalten keine bzw. wenige Zusatzstoffe. Nahrungsmittel, die frisch, regional und sorgfältig zubereitet sind, sind nach wie vor vorzuziehen.
Was tun, wenn man, wie ich, jetzt ein noch schlechteres Gewissen hat, wenn man sich einen Schokoriegel, eine Tüte Chips oder eine verpackte Backware gönnt? Ich meine, die Sachen schmecken ja fantastisch.
Da hatte Paracelsus damals schon einen guten „Werbeslogan“ parat: „Die Menge macht das Gift“. Und er hat auch heute noch recht. Oder was meinst du?
Ja, über Mengen haben wir noch gar nicht gesprochen. Man nimmt ja tendentiell immer mehr UPF, als man will. Man akzeptiert sie, weil man sie unmittelbar essen bzw. schnell zubereiten kann. Sie passen halt super in unseren schnellen Alltag. Zack, und schon habe ich was vom Tankstellenshop oder so. Oder ich habe ein UPF-Menu für die Mikrowelle dabei. Wie kann man diesem Alltag sonst ernährungs- und genussmässig gerecht werden?
Ich selber würde einen neuen Trend ins Leben rufen, wenn es diesen noch nicht gäbe: Verlangsamen – Slow-Food. Wir fokussieren auf den Augenblick, auf das Hier und Jetzt. Das sind auch die Grundsätze im Shiatsu, Yoga und Qi Gong – sei im Hier und Jetzt.
Im Büro oder auf der Baustelle gemütlich das Mittagessen kochen? Oder zuhause vorkochen – als Hier-und-Jetzt-Event?
Je nach Arbeitgeber ist das vielleicht möglich. Oder man organisiert sich. Und zuhause vorkochen, warum nicht? Kochen ist sinnlich, macht Freude, verbindet.
Danke, Silvia, die Qualität der Ernährung ist schon wichtig, scheint es mir.
Klar, Martin, en Guete.
Quellen
https://www.bmj.com/content/384/bmj-2023-077310
Silvia Schmid
Naturheilpraktikerin mit eidg. Diplom TCM, KomplementärTherapeutin mit eidg. Diplom in der Methode Shiatsu, dipl. Diätistin HPS, SVEB 1, Supervisorin OdA-KT, Mentorin OdA-AM, Dozentin an der Heilpraktikerschule HPS GmbH, Instruktorin SRK BLS-AED, mit eigener Praxis: