Ran an die Leichtigkeit
Ebikon, 25. April 2023 — Es ist Frühling, bald Frühsommer. Noch nicht alle haben die Leichtigkeit zurück, die vor der Pandemie noch da war. Unsere Dozentin und Psychologin Franziska Jäggi-Bischof sagt, wie es wieder leichter wird. Und hat Tipps.
Aufs und Abs gehören zum Leben. Franziska Bischof-Jäggis Tipp: Mehr raus, den Puls hüpfen lassen, tun, was früher zu Leichtigkeit geführt hat – im Frühling fällt uns das leichter als sonst. Foto: Pixabay.
Franziska, der Start von Pandemie und Massnahmen ist drei Jahre her. Wie erobere ich meine vorpandemische Leichtigkeit zurück?
Kein Leben ist ausschliesslich linear und somit auch nicht ausschliesslich auf Stufe "Friede-Freude". Hoch und Tief, Aufs und Abs gehören dazu – sei das durch körperliche, seelische, mentale, soziale, organisatorische oder andere Krisen. Bei der Pandemie war das Aussergewöhnliche, dass die Krise global war, lange anhielt und von uns allen nicht gross beeinflussbar war.
Ja, man konnte wie nichts tun.
Und das kann zu grossen Ohnmachtsgefühlen führen. Wenn dann noch persönliche Belastungen hinzukommen, spricht man von kumulativen Krisen. Das heisst von Krisen, die sich überlagern, und die sind sehr schwierig zu bewältigen und zu verdauen. Wenn also jemand jetzt, nachdem die grosse Pandemie vorbei ist, noch immer in einer Blockade drinsteckt und mit Ängsten und Verunsicherungen kämpft, so ist es wichtig, darüber zu reden. Das Darüber-Reden öffnet, bringt ein "Aus-sich-Herauskommen" zu Tage.
Mit wem sollte man da am besten reden?
Das kann mit Freunden, in der Familie und natürlich auch mit Fachpersonen sein. Denn Muster lassen sich nicht auflösen, indem sie weiter beibehalten werden. Nur indem wir sie überwinden, können wir sie ablegen, hinter uns lassen und uns für Neues entscheiden.
Das heisst, es geht oft auch darum, etwas hinter sich zu lassen, etwas Neues anzugehen?
Ja, das bedeutet, Neues ins Leben zu integrieren – oder auch etwas, was vielleicht schon länger brachliegt. Gerade in der aktuellen Saison, im Frühling, fällt uns das leichter. Sich ein neues Hobby zulegen, mehr nach draussen gehen und den Puls bewusst schneller schlagen lassen, indem wir nicht einfach nur spazieren, sondern hüpfen oder springseilen oder tanzen. Auch hilfreich ist, sich zu überlegen, was früher zu Leichtigkeit und Entspannung geführt hat und dies bewusst wieder zu erleben. Oft sind das ganz viele Kleinigkeiten. Wie ein Musikstück, das ein bestimmtes Gefühl auslöst, der Duft eines Gerichtes oder eines Öls oder ein Ausflug an einen persönlichen Kraftort. Und genauso wichtig ist, sich bewusst zu sein, dass ein einmaliges "Aus-sich-Herauskommen" erst ein Aufbrechen ist, ein erster Schritt.
Und dann ein zweiter.
Von A nach B zu kommen, da braucht es viele tausend Schritte. Das heisst, du hast sehr gute Chancen, deine Leichtigkeit zurückzuerlangen, indem du dir selbst täglich viel Gutes bietest. Den Fokus auf Optimismus schaltest, dir selbst und deinem Leben wieder vertraust, die erfolgreichen und schönen Elemente des Tages wertschätzt und mit Ausdauer dranbleibst.
Wie kann ich in voller Leichtigkeit pandemisch vernünftig bleiben? Halt eine Maske aufsetzen, wenn ich es für nötig erachte?
Wenn sich jemand sicherer fühlt mit Maske, dann soll und darf diese Person selbstverständlich die Freiheit haben, sich eine aufzusetzen. Gründe dafür sind nicht immer nur psychisch zu finden, sondern es gibt auch ganz viele Menschen, die mit einem – vorübergehend – labilen Immunsystem ausgestattet sind oder die grad in einer schwierigen Rekonvaleszenz sind und sich schützen möchten. Absolut legitim also, und hoffentlich sind wir alle so tolerant, solche Menschen nicht zu verurteilen. Schau mal, was es mit dir selbst macht, wenn du einen Menschen mit Maske be- oder verurteilend anschaust und denkst: "Nein, ehrlich, noch nicht kapiert, dass die Pandemie vorbei ist?" Oder wenn du dir selbst eingestehst: "Es wird seinen berechtigten Grund haben, dass diese Person eine Maske trägt und deshalb wünsche ich ihr alles Gute."
Und wenn man selbst die Maske trägt?
Auch einer Maske tragenden Person passiert genau dasselbe: Es geht um ihre eigene Haltung, mit der sie durchs Leben geht. Denkt die Person: "Oh, es schauen mich alle total schräg an, weil ich eine Maske trage", dann werden ihr viel mehr kritische Menschen auffallen, die ihr begegnen, als wenn sie denkt: "Toll, dass wir inzwischen alle eigenverantwortlich leben dürfen und die Freiheit haben, eine Maske zu tragen, wenn einem das hilft". In der Psychologie wird dieses Phänomen "Goal Shielding" genannt. Wir nehmen das vermehrt war, worauf wir unseren Fokus richten. Wären wir also wieder bei der Eigenverantwortung: Worauf will und werde ich meinen Fokus denn richten, damit es mir gut geht?
Gibt es etwas, was du empfehlen kannst, wenn man unter Long Covid oder dem Post-Vac-Syndrom leidet? Wenigstens mental stark zu bleiben bzw. zu werden?
Huch, es wäre definitiv vermessen, wenn ich mit ein paar Tipps und Tricks tatsächlich etwas Namhaftes beitragen könnte, denn beides sind absolut neue Phänomene, welche alle Betroffenen, das Umfeld und die Fachpersonen fordern. Und wie bei vielen Erkrankungen, werden auch Long Covid und das Post-Vac-Syndrom sehr individuelle Verläufe haben. Also werden auch noch so gutgemeinte Empfehlungen eher als bagatellisierend als ernstnehmend ankommen.
Was lässt sich tun?
Sich in Zurückhaltung üben, was das Erteilen von Ratschlägen angeht. Stattdessen kann ein Blumenstrauss, ein Kärtchen, ein hilfreicher Handgriff wie das Erledigen von Einkäufen, das Vorbeibringen eines Gratins oder einfach eine Einladung für einen Nachmittagsspaziergang echte Freude und somit auch Energie schenken. Und genauso wichtig ist, das Umfeld nicht ausser Acht zu lassen, denn ein stabiles, tragfähiges Umfeld gibt den Betroffenen sicher am meisten Boden und Beständigkeit in ihrem unsicheren Alltag. Das Umfeld und involvierte Fachpersonen, die empathisch präsent sind und die Situation mittragen, indem sie fordern und gleichzeitig nicht überfordern, halten und gleichzeitig nicht abhalten, sind Gold wert! Beim Fordern und Aushalten-Können wird den Betroffenen in einem sicheren Rahmen die Möglichkeit gegeben, ihre eigenen Grenzen auszuloten, statt sich in sich zurückzuziehen und abzukapseln. Das ist eine grosse Gratwanderung für alle Involvierten.
Danke vielmals, Franziska, für das Gespräch.
Gern, Martin.
Franziska Bischof-Jäggi, lic. phil., ist Pädagogische Psychologin, dipl. Paar- und Familientherapeutin sowie Buchautorin. An der Heilpraktikerschule Luzern unterrichtet Franziska Bischof-Jäggi zum Beispiel Lernen – Entwicklung – Persönlichkeit und Umgang mit anderen und sich selbst. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Felix Jäggi ist sie Inhaberin der Powermanagement GmbH: www.powermanagement.ch.