«Es ist, wie auf die Genetik und Epigenetik eines Menschen zu schauen – mit den Mitteln der TCM»
Ebikon / Tobelbad (A), 6. Januar 2023 – Dr. med. und TCM-Arzt Robert Trnoska nutzt Hexagramme, um seine PatientInnen besser zu verstehen und dadurch individueller zu behandeln. Auch für seinen eigenen Lebensweg nutzt er diese Methode. Hier im Interview: Was Hexagramme sind, was auch Sie damit machen können.
Dr. med. und TCM-Arzt Robert Trnoska lehrt, Lebenshexagramme zu erstellen und zu interpretieren. Das macht Freude – und ermöglicht faszinierende Erkenntnisse, die für nahezu jede Art von Therapie hilfreich sind. Im Übrigen auch für sich ganz persönlich. Foto: Heilpraktikerschule Luzern
Den Kern eines Menschen – seine Anlage, seine Lebensthemen – richtig gut zu verstehen, das hilft einer TherapeutIn, ihn besser zu behandeln: Dr. med. und TCM-Arzt Robert Trnoska lehrt in seinen Chronotherapie-Kursen, die entsprechenden Lebenshexagramme zu erstellen und zu interpretieren.
Dadurch versetzen sich TherapeutInnen in die Lage, ihre PatientInnen bzw. KlientInnen besonders individuell zu behandeln. Interessant ist es auch, diese Lebenshexagramme für sich selbst zu erstellen – und so die eigenen Anlagen und Lebens- und Jahresthemen zu bestimmen, Stichwort Selbstkultivierung.
Nach der Bestimmung der Lebenshexagramme und der Umwandlung dieser Hexagramme in Akupunkturpunkte erfolgen die Behandlungen in den angestammten Methoden der TherapeutInnen: mit Akupunkturnadeln, Moxa, Fingerdruck, also Shiatsu, auch TuiNa, Heilsteinen, ätherischen Ölen, Stimmgabeln, Magneten.
Auch für TCM-Arzneimittel- und PhytotherapeutInnen sowie TCM-DiätistInnen ist dieser chronotherapeutische Ansatz mit Lebenshexagrammen hilfreich, besonders, was die Diagnostik betrifft.
Für diese Chronotherapie-Kurse sind keine Vorkenntnisse des YiJing (I Ging) erforderlich, sie ergeben sich aus der Freude am Tun; auch sind keine Akupunktur-Grundlagen nötig; Grundkenntnisse der 5 chinesischen Wandlungsphasen, von Organen und Leitbahnen sind hilfreich, aber nicht nötig.
Wer einen Zugang zu astrologischen Ansätzen hat oder erhalten möchte, erarbeitet sich in den Chronotherapie-Kursen von Dr. med. Robert Trnoska die Fertigkeit, YiJing-Astrologie kenntnisreich anzuwenden – und findet erst noch das eigene Lebensthema.
Robert, was ist ein Lebenshexagramm?
Jeder Mensch wird durch zwei Lebenshexagramme beschrieben. Damit wird seine Grund-Konstitution charakterisiert. Gebildet werden diese beiden Hexagramme aus der Umformung des chinesischen Geburts-Kalenders.
Und wie sieht das aus?
So ein Hexagramm erzählt auf sechs Linien eine jeweils besondere Geschichte. Für jede Person ist von diesen sechs Linien eine bestimmte Linie charakteristisch: eine Episode der Geschichte. Welche Episode das ist, erfährt man über die sogenannte Wandlungslinie im Lebenshexagramm; und diese Wandlungslinie ermitteln wir über die Techniken der YiJing-Astrologie. So kommen wir zu einer exakten Beschreibung des „Kerns“ einer Person. Eines der beiden Hexagramme berichtet dabei eher von der Anlage, das andere von der Entwicklung im Leben eines Menschen.
Diese Beschreibungen gilt es noch zu interpretieren?
Ja, die Aussagen lassen sich mit Hilfe gängiger YiJing-Bücher interpretieren, von denen es heutzutage viele gute auf Deutsch und Englisch gibt. Zusätzlich nähert man sich den Themen in den Lebenshexagrammen auch auf einer symbolischen Bilderebene. Auf diese Weise gelingt ein Brückenbau in die Welt der TCM.
Was nützt es einer TherapeutIn – und natürlich in der Folge ihren PatientInnen –, wenn sie die Lebenshexagramme ihrer PatientInnen bestimmen kann?
Die Lebenshexagramme eröffnen einen Blick in die Konstitution, die wir in der TCM die Veranlagung „ming“ nennen. Diese steht in Beziehung zur Ebene der Essenz und des sogenannten „Tor des Lebens ming men“ ( Punkt Dumai 4 ). Damit sind die vorgeburtlichen Anlagen gemeint, welche mit einem modernen Begriff als Genetik und Epigenetik umschrieben werden. Ein Blick auf diese Nieren-Ebene gibt Hinweise auf Stärken und Schwächen eines Menschen.
Das ist natürlich stark: Mit TCM etwas über Genetik und Epigenetik zu erfahren.
Ja, tatsächlich. So zeigt eine genauere zeitliche Analyse der Hexagramme nicht nur günstigere oder widrigere Lebensphasen auf. Vielmehr gibt sie eben auch wertvolle Hinweise zum „Warum?“ – also zum Thema, das hinter besonderen Lebensereignissen steht. Westlich gesprochen, haben solche Themen eben oft genetische bzw. epigenetische Zusammenhänge. Dieses Thema bzw. die Frage, wie es zu einschneidenden Situationen im Leben der PatientIn gekommen ist, wird zumindest in meiner Praxis sehr häufig an mich herangetragen. Die Technik der YiJing-Astrologie hilft, die Lebensgeschichte der PatientInnen besser einordnen zu können. Und im Übrigen auch die eigene, zur Selbstkultivierung.
Wie viel Interpretationsspielraum gibt es bei den Hexagrammen?
Dieser Raum ist grenzenlos! Und er wächst mit der eigenen Erfahrung! Aber keine Sorge: Für den Anfang gibt es gute Bücher mit Hexagramm-Beschreibungen, an denen man sich orientieren kann. Eine typische Ebene der Interpretation ist die psychosoziale Ebene. Diese spiegelt den Zugang zur Welt und anderen Menschen und zeigt charakteristische Merkmale des Seelengartens auf. Hervorheben möchte ich in diesem Rahmen die Deutung der Hexagramme nach den „64 Genschlüsseln“: Darin findet man in gut greifbarer Weise Licht und Schatten jedes einzelnen Hexagramms.
Und zur Therapie?
Da fasziniert freilich die therapeutische Interpretation gemäss TCM. Neben diagnostischen Hinweisen gelingen hierbei ganz konkrete Umformungen der Hexagramme in Akupunkturpunkte. Das ist, wie gesagt, unglaublich faszinierend.
Du sprichst von allgemeinen und individuellen Zeitqualitäten. Was ist der Unterschied? Und um welche geht es dir vor allem?
Die Unterscheidung wurzelt in jeweils eigenen Techniken zur Ermittlung der zeitlichen Informationen. Mich reizt eben diese individuelle Herangehensweise der YiJing-Astrologie. Damit erhalte ich beispielsweise nicht die allgemeine Jahresqualität von 8 Milliarden Menschen und eines ganzen Planeten, sondern wie es einer bestimmten Person mit ihren individuellen Lebenshexagrammen in einem gewissen Jahr geht.
Ein Beispiel?
Nehmen wir etwa die einschneidende Zeit der Corona-Epidemie. Fordernd war sie wohl für alle. Und doch gab es Gewinner der vielen Umbrüche sowie natürlich viele, die eher die Widrigkeiten gespürt haben. Diese Differenzierung sehe ich nicht in allgemeinen Zeitqualitäten, sondern nur in individuellen Techniken wie der YiJing-Astrologie.
Zur Organisation des Stoffes: Damals, 2019, hattest du das Modul «Über Yi-Jing-Astrologie zur Chrono-Akupunktur» kreiert, vier Tage ging es. Jetzt, für 2023, hast du daraus drei Module gemacht, insgesamt fünf Tage. Warum? Zusätzlich gibt es noch das Innere-Landschaft-Modul, zwei Tage.
Alle meine Seminare entwickeln sich parallel zu mir weiter, wachsen also auch an Inhalt. Die zusätzliche Zeit gibt mir die Möglichkeit, auch ergänzende Aspekte zu erklären und neue Techniken zu zeigen. Die YiJing-Astrologie umfasst noch so viel mehr als ich bisher die Gelegenheit hatte zu unterrichten! Beispielsweise werde ich neu auch die sechs grossen Jahres-Themen zeigen, im Modul «Chronotherapie: Dimension der Zeit – YiJing». Das ist eine spannende Ableitung aus den Monats-Hexagrammen. Das YiJing ist grenzenlos!
Wenn ich jetzt «Über Yi-Jing-Astrologie zur Chrono-Akupunktur» schon besucht habe, was rätst du mir?
Dran bleiben und regelmässig anwenden! Und wer sein Wissen erweitern möchte, möge sich insbesondere das neue Modul zu den Inneren Landschaften, also zu den körperlichen Zentren anschauen. TeilnehmerInnen des bisherigen viertägigen Kurses kennen sich schon gut auf der zeitlichen Ebene aus. Im neuen Kurs lernt man die Daoistische Landkarte, d.h. den räumlichen Aufbau des Menschen kennen. Wie gewohnt gelingt über die YiJing-Astrologie eine individuelle Beschreibung dieser Energiezentren in Form von Hexagrammen. Neben therapeutisch-diagnostischen Informationen aus der Sicht der TCM bietet dieser Kurs eine tiefen Einblick in die Innere Alchemie des Daoismus ( neidan ). Ich zeige auch die Parallelen zu einem bekannten indischen System auf: den Chakren.
Sind diese Chronotherapie-Kurse auch für TCM-Arzneimittel- bzw. PhytotherapeutInnen und für TCM-DiätistInnen bzw. ErnährungsberaterInnen nach den 5 Elementen hilfreich?
Ein klares Ja! Über die Chronotherapie erschliesst sich eine Diagnostik auf ganz neuer Ebene. Man blickt tief in die Konstitution, also „wie jemand gestrickt ist“. Die Hexagramme lassen sich aus Sicht der TCM interpretieren. Je klarer das Bild der zu behandelnden Person, desto klarer kann ich meine therapeutischen Mittel, was auch immer das dann ist, einsetzen.
Und braucht es nicht etwas mehr als einen Heilstein oder ein ätherisches Öl, um einen Akupunkt zu stimulieren?
Nein, das sind durchaus berechtigte Teile auf der bunten Wiese der Heilkünste. Sowohl Heilsteine wie Ätherika spielen eine wichtige Rolle in der Daoistischen Medizin. Steine waren die Vorläufer der Metallnadeln. Innerlich wie äusserlich sind Mineralien ein integraler Teil der chinesischen Materia Medica. Die Wirkung von Heilsteinen und ätherischen Ölen lässt sich aus der Sicht der TCM beschreiben. Die topische also äusserliche Anwendung ist eine bewährte Herangehensweise. Das Modul «Chronotherapie: Von Hexagrammen zu Akupunkten» kann also besuchen, wer Akupunkte mit was immer stimuliert: mit Nadeln, Fingerdruck und eben auch Heilsteinen, ätherischen Ölen, Stimmgabeln, Magneten.
Etwas Persönliches: Man kann ja als TherapeutIn auch die eigenen Lebenshexagramme und die eigenen grossen Themen herausfinden. Inwiefern hat dich das Thema auch persönlich gepackt und ggf. verändert?
Die Hexagramme sind für mich zu regelmässigen Begleitern meines Lebens geworden. Sie stellen für mich eine Landkarte für den Lebensweg dar. Sie geben mir wichtige Hinweise, welche Themen zu gewissen Zeiten anstehen, was günstig ist bzw. wo eher mit Gegenwind zu rechnen ist. Das erspart einem nicht das eigene Handeln, doch macht es viele Entscheidungen leichter.
Danke, Robert.
Gern.
Die Weiterbildungen mit Dr. med. Robert Trnoska sind hier.
Dr. med. Robert Trnoska hat Medizin studiert und in Graz promoviert. Parallel dazu hat er sich in TCM ausgebildet, er hat sogar die verschiedenen Formen asiatischer Akupunktur studiert, unter anderem in China und Taiwan. Dabei hat er sich eindringlich mit dem Nei Jing Su Wen und dem Yi Jing auseinandergesetzt. Diese Lektüre – und der Austausch mit Lehrern wie Dr. Wei-Chieh Young, Dr. Richard Tan, Robert Doane und Prof. Ross – haben es ihm ermöglicht, sich tief in die Balance-Akupunktur einzuarbeiten. Mit Blick auf die therapeutische Praxis hat Robert Trnoska seine Erkenntnisse als Weiterbildung für AkupunkteurInnen aufgearbeitet, siehe TCM-Weiterbildung mit Dr. med. Robert Trnoska.
Ein weiterer Schwerpunkt von Robert Trnoska ist die Phyto West-TCM. Dabei fasziniert ihn besonders die Frage: Wie lassen sich die Wirkungen schulmedizinischer Medikamente steigern – und gleichzeitig ihre Nebenwirkungen ausbalancieren? Antworten liefert ihm auch hier die TCM, angewandt auf unsere europäischen Kräuter.
Seine Praxis für Allgemeinmedizin führt er in Tobelbad bei Graz. Er unterrichtet regelmässig Weiterbildungen an der Heilpraktikerschule Luzern.