Mein Cranio-Wochenende
Ebikon, 13. Mai 2022 – Craniosacral-Therapie. Wir schicken unsere Veronika in den Einstiegskurs zu Alessandra Masetto.
In Cranio: Basis lernen die StudentInnen erste Griffe kennen. Viele haben das Ziel eidg. Diplom. Foto: Heilpraktikerschule Luzern
Einmal im Jahr folge ich meiner Naturheilkunde-Neugier. Dann setze ich mich, statt an den Schreibtisch, direkt in einen Kurs. Letztes Jahr lernte ich die Blutegel-Therapie kennen.
Nun stöbere ich also durch die Ausbildungsbroschüre. Und bleibe bei der Craniosacral-Therapie hängen: «Mit den Händen ‘lauschen’ – berühren und berührt werden – in diesen drei Tagen öffnet sich Ihnen die Welt der Craniosacral-Therapie».
Los geht’s. Anmeldung.
Voller Vorfreude und auch etwas aufgeregt sitze ich im Unterrichtsraum. Mir schweifen Gedanken durch den Kopf: Craniosacral, was ist das genau? Komplementär-Therapie? Was für Menschen ich wohl im Kurs antreffen werde?
Unsere Dozentin Alessandra Masetto beginnt mit einer Meditation. Sie stellt eine Kerze in unsere Mitte, und so tauche ich das erste Mal ab. In Gedanken. In den Rhythmus meines Atems. An einen friedvollen Ort.
«Das Licht ist stärker als die Dunkelheit. Es durchbricht die Dunkelheit. Immer.»
Diese Aussage von unserer Dozentin hallt mir noch lange nach. Ja, das Licht mag wirklich jede Dunkelheit erleuchten. Durch die Stille der Meditation sind wir alle gut angekommen. Und es scheint, als seien wir erst jetzt so richtig parat zum Loslegen.
Wie gesagt, da ist Alessandra Masetto, sie ist seit vielen Jahren Cranio-Therapeutin und -Dozentin. Mit ihrer praktischen Erfahrung führt sie uns durch diesen Einstiegskurs. Um sich Alessandra vorzustellen, denke man an die Sonne im Tessin. Nein, mal ehrlich, es scheint, als bringe sie die Sonne aus ihrem Wohnort Tessin mit, so herzlich, wie sie uns begrüsst.
Während der Vorstellungsrunde erkennen wir, was für unterschiedliche Welten hier im Kurs zusammenkommen. Da sind zum Beispiel ein Künstler, medizinische MasseurInnen, eine Bankangestellte, Mütter, eine Verkäuferin, Pflegefachfrauen. Auch unsere Dozentin staunt:
«Da sind ja unglaublich viele Ressourcen in diesem Raum».
Um Ressourcen geht es auch im darauffolgenden Theorieblock. Wir erhalten eine erste Vorstellung davon, was das Ziel der Craniosacral-Therapie ist.
Ja, sie fühlen, denken, sehen: unsere Finger
Die Craniosacral-Therapie ist sehr sanft. Wir nutzen unseren Tastsinn und nehmen wahr, was sich zeigt. Wir «lauschen» mit den Händen.
Die Therapieform orientiert sich am craniosacralen Rhythmus. Und genau diesen lernen wir im Einstiegskurs kennen.
Und was die TherapeutIn genau tut, dazu sammle ich vorerst mal Notizen:
- Wegbegleiter sein
- auf allen Ebenen zuhören
- das Eingangstor zu einem Menschen finden, und zwar nicht nur zum Körper, sondern zu seinem ganzen Wesen
- dabei nie wertend sein
- den Händen vertrauen
- sich auf den Dialog einlassen
- eine KlientIn auf ihrem Weg und mit ihren Ressourcen begleiten
Dozentin Alessandra ergänzt:
Und ganz vieles an Erfahrung bringt die Zeit mit sich und die Arbeit mit KlientInnen. Das Wissen auf der einen Seite, das Wahrnehmen und Fühlen auf der anderen. Cranio-TherapeutInnen kommunizieren ja wirklich auf ganz unterschiedlichen Ebenen, sie beziehen Körper, Geist und Seele in die Behandlung mit ein.
Unsere erste Cranio-Behandlung steht an. Als die Liegen aufgestellt und die Teams gebildet sind, zeigt Alessandra die praktische Aufgabe an einer MitstudentIn vor.
Wir sind alle sehr neugierig. Was ist dieser Craniosacral-Rhythmus genau? Wie fühlt er sich an? Spüre ich etwas?
Ja, so ist es am Ende des Tages auch herausfordernd, die ersten Cranio-Gefühle in Worte zu fassen. Das Erlebte, auch die Bewegung, findet auf einer sehr tiefen Ebene statt. Ein Wort für Cranio? Drei StudentInnen versuchen es, auch mit einer Geste:
Schädel und Kreuzbein
Gespannt starten wir den zweiten Kurstag. Wir beginnen wieder mit einer Meditation, dann befassen wir uns mit Theorie:
Das Wort Craniosacral setzt sich aus den Begriffen Cranium und Sacrum zusammen, Schädel und Kreuzbein. Während einer Cranio-Behandlung orientiert sich die TherapeutIn am craniosacralen Rhythmus.
Dieser Rhythmus entsteht durch eine Bewegung im Flüssigkeitssystem. Genauer gesagt im Liquor, der gut geschützt von Membransystem und Knochen unser Hirn und Rückenmark umspült. Und das Ganze bewegt sich rhythmisch, es «pulsiert», fast wie der Herz- und Atemrhythmus.
Wir probieren das gleich aus und konzentrieren uns fest darauf, ob wir während dem gegenseitigen Behandeln einen Rhythmus spüren. – Und dann kommt der Moment, in dem meine Mitstudentin Alexandra schier ausflippt. Denn tatsächlich spürt sie zum ersten Mal den craniosacralen Rhythmus. Das fühlt sich ähnlich an wie die Atmung, wenn sich der ganze Körper auf und ab bewegt. Aber es ist nicht die Atmung. Unfassbar. Überwältigend. Einfach glücklich, scheint sie in diesem Moment zu sein.
Das, was Alexandra so deutlich spürte, und Sutherland entdeckt und John Upledger danach verbreitet hat, ist genau dieser Craniosacral-Rhythmus. Er zeigt sich am Kopf und auch an den Füssen. Eigentlich ja am ganzen Körper. Ich frage bei den StudentInnen nach und Martina und Desirée tauschen sich gleich über das Mysterium des craniosacralen Rhythmus aus:
Und weiterhin bemühen wir uns, eine Definition der Craniosacral-Therapie zu finden. Was ist das genau, was macht die TherapeutIn, welche Wirkung hat Cranio? Wir sammeln unser Wissen:
- Cranium (Schädel) und Sacrum (Kreuzbein)
- wahrnehmen und mit dem gehen, was sich zeigt
- sanft
- mit den Händen hören; den Bewegungen folgen
- alles ist in Bewegung
- Craniosacral-Rhythmus dient dazu, Veränderungen wahrzunehmen
- Tiefenentspannung
- Kontakt mit dem Nervensystem
- Ursprung in der Osteopathie
- Hirnflüssigkeit (Liquor)
- Selbstheilungskräfte aktivieren
- Zugang zum inneren Arzt finden
Beim praktischen Üben erfahren einige schon sehr deutlich, was Cranio bewirken kann. Wir sind alle auf eine besondere Art berührt, fasziniert – einfach staunend.
Weitere Cranio-Techniken
Am dritten Kurstag lernen wir weitere Cranio-Griffe kennen. Das ist ja schon unglaublich, was alles in diese drei Tage passt. Jetzt geht es besonders darum, das Gelernte zu repetieren und zu vertiefen. Meine Übungspartnerin Judith sagt:
«Ich habe schon so vieles gelernt, das ich jetzt anwenden kann.»
Für einige ist dieser Wochenendkurs ein Neustart, ein erster Schritt in eine neue Richtung. Einige verfolgen den Traum nach Selbständigkeit, ihre eigene Cranio-Praxis zu eröffnen, später einmal. Für andere ist Cranio eine tolle Alternative, um ihr Therapieangebot zu vertiefen. Einige sind einfach ihrer Neugier gefolgt und haben wieder einmal etwas Gutes für sich getan. Und die Griffe lassen sich wunderbar im Alltag üben. Eine StudentIn erzählte, sie habe gleich nach dem ersten Kurstag abends ihrem Mann eine Cranio-Behandlung gegeben. Er war jedenfalls total entspannt. Und sie war es auch.
Und mich persönlich hat dieser Kurs sehr bereichert. Ich freue mich, hier an der Heilpraktikerschule arbeiten zu dürfen und bin fasziniert von dieser sanften Therapiemethode. Dazu mischt sich Dankbarkeit, in diesen drei Tagen so wundervolle Menschen kennengelernt zu haben.
Merci vielmals!