Long Covid: Nieren- und Lungen-Qi, Berührung

Ebikon, 30. März 2022 – Dozentin und Therapeutin Christina Brunner behandelt ihre Long-Covid-KlientInnen mit Shiatsu. Berührung ist noch wichtiger als sonst.

Foto von Christina Brunner, TCM- und Shiatsu-Therapeutin in eigener Praxis und Shiatsu-Dozentin an der Heilpraktikerschule Luzern.

Es geht um das Nieren- und das Lungen-Qi – und um Berührung: Therapeutin Christina Brunner gibt ihren Long-Covid-KlientInnen Shiatsu.

Chris, hast du viele Long-Covid-KlientInnen?

Im Moment habe ich keine KlientInnen mit Long Covid, aber ich hatte zwei, die haben es im Moment im Griff.

Wie heisst die Indikation Long Covid in Shiatsu-Terminologie? Eine typische Indikation ist ja zum Beispiel Leber-Qi-Stagnation? Gibt es so etwas auch für Shiatsu?

Das scheint mir nicht so einfach zu beantworten. Es scheint mir eher individuell zu sein, mit unterschiedlichen Syndromen und Symptomen, und sehr komplex. Vermutlich gibt es da schon eine Terminologie mit den Indikationen. Bislang habe ich aber auf die Klientin vor mir geschaut und was ihr ganz individuell fehlt, nicht auf Theorie.

Gibt es Organ- bzw. Funktionskreise, die bei Long Covid eher angegriffen werden?

Mit Sicherheit sind vor allem Niere und Lunge betroffen. Die Nieren-Energie ist oft im Mangel oder in der Schwäche, sie kann sich schlicht und einfach zu wenig erholen.

Der Funktionskreis Niere soll im Shiatsu sehr bedeutsam sein, auch in der TCM, beide haben ja dieselben Grundlagen.

Ja, so speichert zum Beispiel die Niere die Vorgeburtliche Energie, und durch Long Covid verbraucht sich dieses Vorgeburtliche Qi deutlich stärker als normal. Ausserdem ist die Niere das Fundament von Yin und Yang, und das hat dann auch individuell ganz unterschiedliche Auswirkungen.

Und der Funktionskreis Lunge?

Da steckt ja unsere Abwehrenergie, Wei-Qi genannt, westlich gesprochen das Immunsystem. Und dieses Wei-Qi ist jetzt stark gefordert, es ist geschwächt, im Mangel. Zwei weitere Funktionskreise sind ebenfalls betroffen: Dünndarm und Herz. Der Dünndarm ist überfordert mit Trennen von Rein und Unrein, und das hat Folgen für das Herz, das dadurch eben auch geschwächt wird.

Woran erkennst du, dass es Long Covid ist?

Zwar geht es nicht immer um denselben Meridian bzw. dasselbe Organsystem, aber in der Anamnese, also der Befundaufnahme, und im Gespräch wird es ziemlich schnell klar. Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Kurzatmigkeit, Husten, auch mal hoher Puls, Probleme mit der Verdauung – Niere, Lunge, Dünndarm, Herz, da horcht man auf.

Was ist der Behandlungsplan bei Long Covid? Was machst du mit einer Long-Covid-KlientIn?

Das kann nicht so einfach beantwortet werden, die Behandlungskonzepte erarbeite ich individuell. Was mir aber in der ganzen Pandemie und speziell an diesen zwei Klientinnen aufgefallen ist, ist, dass sie Berührung nicht nur gemocht haben, sondern dass sie die Berührung regelrecht brauchten.

Was kann man von Shiatsu erwarten?

Vielleicht sag ich das am besten, wie es bei den beiden ist: Beide waren ein paar Mal sozusagen als Notfall bei mir und gingen nachher wieder gestärkt und geerdet aus der Praxis. Auch hat das Shiatsu ihren Körper und ihren Geist über längere Zeit gestärkt und die Symptome waren abgeschwächt oder nicht mehr da.

Das heisst, Shiatsu kann also sehr gut helfen?

Ja, das würde ich schon sagen. Die eine Klientin, Mitte vierzig, erfuhr immer wieder einen plötzlichen Leistungsabfall: am Morgen nach dem Aufstehen. Oder nach dem Duschen oder dem Bereit-Machen für den Tag. Das waren jeweils Symptome wie Muskelschwäche in den Beinen, Schweissausbrüche und weitere Schwächen. Auch sei sie dann, wie sie sagte, schon wieder so müde, dass sie sich wieder hinlegen muss. Hinzu kommt, dass sie sich schwer und deprimiert fühlt. All das sind Symptome, die sie vor Covid nicht kannte. Shiatsu half, dass die Symptome weniger intensiv wurden, teilweise ganz verschwanden.

Und die andere Klientin?

Die zweite Klientin, Endzwanzigerin, braucht für ihre Arbeit volle Konzentration. Seit Covid hat sie immer wieder Gedächtnis-Lücken und Schwierigkeiten mit der Konzentration. Dazu kommt bei ihr auch die Muskelschwäche in den Beinen. Alles wurde mehrmals von konventioneller Seite abgeklärt und nichts gefunden. Das verunsicherte sie noch mehr. Sie sagt auch, dass die Mitmenschen ihr diese Beschwerden nicht ansehen, und das ist etwas, was es ja auch noch zusätzlich schwierig macht. Auf alle Fälle: Beide Klientinnen kamen ins Shiatsu, um sich zu stärken und zu regenerieren. Und es ist ja tatsächlich so: Shiatsu hilft nicht nur körperlich, sondern auch mental.

Was meinst du mit mental?

Zum Beispiel hilft Shiatsu, eine Situation zu akzeptieren und sich zu erden. Und das führt wiederum dazu, dass es immer besser weiter geht, mal langsamer, mal schneller. Und ab und zu kommen beide wieder, und weiter geht’s.

Du hattest vorher gesagt, dass deine Long-Covid-Klientinnen das Shiatsu geradezu gebraucht hatten: als Berührung.

Das ist mir tatsächlich aufgefallen, dass alle KlientInnen das Shiatsu sehr genossen haben. Und ich glaube, das war genau deshalb, weil uns allen in dieser Pandemie bewusst geworden war, was Berührung für uns bedeutet. Natürlich habe ich auch Nahrungsmittel empfohlen und Phytotherapie verschrieben, alles nach TCM, damit sie bei sich zuhause etwas haben, das hilft. Und bei mir in der Praxis gab’s Shiatsu, das hat ihnen schon sehr gut getan. Es ist schon eine herrliche Therapieart und einzigartig.

Du selbst – wie bist du durch die Pandemie gekommen?

Ich habe mich in der Praxis gut geschützt, alle vorgeschriebenen Massnahmen auch umgesetzt. Im privaten Leben habe ich mich zurückgezogen und viele Kontakte gemieden. Mir fiel es nicht schwer, nicht mehr an öffentliche Veranstaltungen oder ins Restaurant zu gehen. Ich habe mich auch impfen lassen, sobald es ging, aus zwei Gründen: Solidarität und Selbstschutz. Und in Sozialen Medien habe ich mich nur zurückhaltend informiert, was ich wissen musste und glauben konnte. In der Freizeit waren wir viel in der Natur, mit unserer Hündin laufen. Und unsere FreundInnen haben wir eher zum Spaziergang als zum Essen getroffen. Auch war und ist mir wichtig, dass ich andere Meinungen anhören konnte, sie reflektiert habe und sie auch so stehen lassen konnte. Das gibt mir innere Zufriedenheit. Ich schätze mich glücklich, da, wo ich leben und arbeiten darf.

Danke, Chris, für das Gespräch.

Ja, Martin, gern.

Portraitfoto von Christina Brunner, TCM- und Shiatsu-Therapeutin in eigener Praxis und Shiatsu-Dozentin an der Heilpraktikerschule Luzern

Christina Brunner, Shiatsu-Dozentin an der Heilpraktikerschule Luzern

Christina ist KomplementärTherapeutin mit eidg. Diplom in Shiatsu und Naturheilpraktikerin mit eidg. Diplom in TCM; ihre Praxis führt sie in Küssnacht am Rigi: www.chbrunner.ch

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