«Auch Ernährung ist entscheidend»
Ebikon, 21. Januar 2021 – Stephanie Albert sagt, wann Ayurveda eine gute Wahl ist – und gibt Beispiele aus der Schmerztherapie. Sie ist Ayurveda-Spezialistin, Ressortleiterin Ayurveda-Therapie KT und Dozentin der Rosenberg Europäischen Akademie für Ayurveda in der Schweiz.
«Viele fühlen sich mit Ayurveda abgeholt», so Stephanie Albert. «Die Behandlung wirkt immer ganzheitlich, das heisst auf den Körper und den Geist. Somit können auch psychosomatische Beschwerden behandelt werden.» Foto: zVg
Wie viele Schmerz-PatientInnen hast du? Eher ein kleiner Teil? Ein grosser?
Wenn wir Kopfschmerzen, Magen-Darm-Schmerzen, Rückenschmerzen, Nackenschmerzen etc. zusammenzählen, dann haben die meisten meiner KlientInnen eine Schmerzthematik.
Ayurveda ist ja vieles: Massagen, Kräuter, Ernährung, Kuren, Yoga, irgendwie, vielleicht liegt das am Namen, denkt man sofort an Wärme, an Angenehmes. Was davon hilft bei Schmerzen? Massagen?
Die Wärme hilft definitiv bei vielen Schmerzen, solange keine Entzündung besteht. Und ayurvedische Massagen klar auch. Diese haben ganz unterschiedliche Wirkweisen, je nach Öl, das ich verwende und auch je nach Technik, die ich einsetze. Bei Schmerzen ist oft eine sanfte Form der Behandlung angesagt, die – wie du auch sagst – in den meisten Fällen als sehr angenehm empfunden wird. Gleichzeitig kann die Behandlung aber auch schmerzhaft sein, wenn Blockaden aufgelöst werden. Meine KlientInnen beschreiben dies als einen «Wohlfühlschmerz» – also etwas, das schmerzt aber gleichzeitig gut tut. Zudem ist auch die Ernährung bei Schmerzen entscheidend. Und zu guter Letzt darf natürlich auch die Bewegung nicht ausser Acht gelassen werden. Somit betrachtet Ayurveda den Menschen ganzheitlich und die Therapie wird dort angesetzt, wo es gerade am Zielführendesten ist und für die KlientIn stimmt.
Massagen, Ernährung und Bewegung also? Vielleicht hilft auch etwas Placebo?
Meistens ist es eine Kombination: Anpassungen in der Ernährung und dem Lebensalltag, Behandlungen und Bewegung – unterstützt mit Nahrungsergänzungsmitteln. Zu deiner Frage bezüglich Placebo-Element: Ja, Ayurveda klingt angenehm, wenn man an die sanften Behandlungen mit dem warmen Öl denkt. Und es gibt Zeit und Zuwendung. Trotzdem ist für den Genesungsprozess auch Mitarbeit und Bereitschaft von der KlientIn nötig, denn reine Massagen alleine bringen meistens nur kurzfristige Erlösung.
Bei welchen Schmerzen ist Ayurveda eine gute Wahl?
Bei allen Schmerzen. Da die Behandlung mit Ayurveda-Massagen in der Regel als sehr angenehm empfunden wird, fühlen sich viele mit Ayurveda abgeholt, können entspannen und loslassen. Das ist für den Genesungsprozess sehr entscheidend. Die Behandlung wirkt zudem immer ganzheitlich, das heisst auf den Körper und auf den Geist. Somit können auch psychosomatische Beschwerden mit Ayurveda behandelt werden.
Gibt es Personen, für die sich eine Ayurveda-Schmerztherapie nicht eignet, zum Beispiel Kinder oder Schwangere?
Grundsätzlich gibt es keine Einschränkungen für eine Ayurveda Therapie, denn es wird immer die Person als Ganzes betrachtet. Gerade bei Schwangeren gibt es aber einige Punkte zu beachten, die eine ausgebildete Ayurveda-Therapeutin kennt. Bei Kindern ist es wichtig, auch das Umfeld miteinzubeziehen, damit die Eltern zum Beispiel die Ernährung oder den Tagesablauf anpassen können. Dies natürlich immer in Absprache mit dem Kind.
Hast du ein Beispiel, anonymisiert, inwiefern Ayurveda bei Schmerzen unterstützt?
Ich habe eine Klientin, die explizit von der Schulmedizin als Schmerzpatientin zu mir vermittelt wurde. Also eine Person, die chronisch unter Schmerzen leidet, die schulmedizinisch nicht erklärt werden können. Ich habe bei ihr mit sanftem Druck gearbeitet; mit vielen langsamen Ausstreichungen behandelt. Dadurch fühlte sie zum ersten Mal seit langem ihren Körper wieder als Ganzes. Parallel haben wir die Ernährung angepasst und mehr Regelmässigkeit in ihren Tagesablauf gebracht. Nach und nach ging es ihr besser, die Verspannungen liessen nach und somit auch die Schmerzen.
Diese Person hatte chronische Schmerzen. Hilft der Ayurveda auch bei akuten Schmerzen? Beispiel?
Ja, auf jeden Fall. Jedoch bin ich als Komplementärtherapeutin nicht die erste Anlaufstelle für akute Beschwerden. Da ist der Einbezug der Schul- oder Alternativmedizin nötig. Zudem ist Schmerz oft mit Entzündungen verbunden, dann steht erst die Reduktion der Entzündung im Vordergrund, wofür es wieder verschiedene Vorgehensweisen gibt. Ich habe aber ein Beispiel einer Klientin, die unter akuten Kopfschmerzen mit Schwindel litt, als sie zu mir kam. Schulmedizinisch waren die Schmerzen abgeklärt und Körpertherapie empfohlen. Durch die gezielte Behandlung des Nacken-Schulter-Bereichs konnte die Blockade gelöst werden, die Kopfschmerzen und der Schwindel verschwanden. Damit diese Schmerzen nicht wieder auftreten, macht sie jetzt regelmässig Körperübungen, circa fünf Minuten pro Tag.
Was ist die Theorie zu Schmerzbehandlung, kurz und knapp?
Ayurvedisch gesehen haben alle Schmerzen ihren Ursprung im erhöhten «Vata». Vata ist das bioenergetische Prinzip im Ayurveda, das für die Bewegung und das Element Luft steht. Es hat kalte, leichte, raue und trockene Eigenschaften und lässt sich darum durch Wärme, Feuchtigkeit und Öl gut ausgleichen. Darum ist eine regelmässige, warme und nicht zu trockene Ernährung wichtig, genauso wie ayurvedische Ölmassagen, mit sanftem Druck ausgeübt. Zudem spielt im Ayurveda «Ama» eine zentrale Rolle. Ama ist ein einzigartiges ayurvedisches Konzept und heisst übersetzt «unfertig verdaute Nahrungsrückstände». Oft spielen bei Schmerzen die Kombination von Vata und Ama eine Rolle. Dann ist zuerst eine Reinigung des Körpers von Ama nötig, bevor mit der Vata reduzierenden Therapie begonnen wird.
Es gibt Symptome wie Kopfweh, Bauchweh, Unwohlsein; und dann gibt es Ursachen für diese Schmerzen. Ergeben sich diese Zusammenhänge einfach? Wie gehst du den Ursachen auf den Grund, vielleicht auch hier mit einem Beispiel?
Für jede Therapie ist es unerlässlich, eine ausführliche Befunderhebung durchzuführen. Dabei wird immer auch darauf eingegangen, welche Lebensumstände oder Routinen zu den Beschwerden führen könnten. In sehr vielen Fällen sind Veränderungen oder Druck die Ursache, die Stress auslösen. Denn Stress, der sich ja vor allem im Kopf abspielt, hat einen grossen Einfluss auf den Körper und alle Arten von Schmerzen. Darum ist es wichtig herauszufinden, was genau Stress für diese Person bedeutet und wie dieser auch wieder reduziert werden kann.
Wie findest du heraus, was genau Stress auslöst?
Das ist unterschiedlich. Oft hilft Reflexion, Achtsamkeit und Fokus. Meistens sind Schmerzen ein Ausdruck unserer Seele, dass wir irgendwo auf dem Holzweg sind, wir zu wenig auf unsere Bedürfnisse hören oder uns selbst übergehen. So ging es einer Klientin von mir, die eine Ausbildung nur begann, weil das Umfeld und die Chefin sie als wichtig erachteten. Von Beginn der Ausbildung an hatte sie Kopfschmerzen, die immer schlimmer wurden. Erst als sie sich entschied, die Ausbildung abzubrechen und eine neue zu beginnen, die ihr wirklich entsprach, waren die Kopfschmerzen wieder verschwunden.
An der Heilpraktikerschule gibt es ein Modul «TuiNa Schmerztherapie». Weshalb gibt es kein Modul «Ayurveda Schmerztherapie»?
Schmerz ist ein sehr komplexes Thema, das in vielen Modulen besprochen wird. Die Verknüpfung der Theorie, die pro Modul gelehrt wird, zusammen mit der eigenen Praxiserfahrung, führt zum individuell auf und mit dem Klienten abgestimmten Therapieplan. Somit kann man sagen, dass sich fast jedes Ayurveda-Modul mit der Behandlung von Schmerzen beschäftigt. Mal mehr aus Ernährungs- oder psychologischer Sicht, mal mehr bezüglich der Möglichkeiten der Behandlungstechniken wie zum Beispiel Marma-Therapie oder auch der Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder Atemtechniken.
Eine Frage zum Schluss: Mein Ziel ist ja, möglichst schmerzfrei zu bleiben. Gibt es da einen Tipp aus ayurvedischer Sicht? Was sind die wichtigsten Prinzipien für Gesundheit und Wohlbefinden?
Balance und Fokus sind für mich die beiden grossen Schlagwörter. Balance bezüglich der körpereigenen Konstitution, aber auch ein ausgeglichenes Verhältnis von Ruhe und Aktivität, Genuss und Bewusstsein. Und zweitens Fokus auf die für jede Person wirklich wichtigen und dringlichen Dinge im Leben. Ayurveda kann auch da unterstützen, Klarheit für sich zu finden.
Danke, Stephanie!
Gern, Veronika.
An der Heilpraktikerschule Luzern unterrichtet Stephanie Albert zum Beispiel «Yoga, Atem- und Entspannungstechniken», «Ayurveda: Traditionelle Gewürz- und Kräuterkunde», «Ernährung nach Ayurveda-Typologie» und «Ayurveda: Diätetik, Nahrungsmittel, Reinigungen».
Sie hat eine eigene Praxis in Langnau am Albis: www.parvatasana.ch
Und sie ist Mentorin in Ayurveda und Ressortleiterin Ayurveda-Therapie KT unserer Partnerschule Rosenberg Europäischen Akademie für Ayurveda in der Schweiz.