«Herbst, da ist plötzlich mehr Raum – für mich, für Ideen, für die Zukunft»
Ebikon, 22. Oktober 2020 – Das Gute am Herbst, dazu haben wir unsere TEN-, TCM- und Ayurveda-DozentInnen befragt. Zu Schlaf, Vitamin D3, Wei-Qi, Sesamöl, Reflektieren und mehr – hier.
«Symbolisch gesehen bedeutet der «Herbst des Lebens», Älterwerden, Weisheit», das sagt TCM-Therapeut und -Dozent Daniel Ruiz. – Pixabay
Draussen wird es kälter. Kürzere Tage, längere Nächte und jeder Atemzug bildet ein kleines Wölkli in der frischen Luft: Herbst. Die Menschen kommen zur Ruhe, ziehen sich zurück ins Innere. Und sie ernten, was sie übers Jahr gesät haben. Auf den Feldern oder ganz persönlich: Jetzt ist Zeit zum Reflektieren und um nachzudenken. Und dann, geordnet und gewissenhaft, neu zu planen, sich Ziele setzen und Platz für Neues schaffen. Das sagen unsere ExpertInnen Alex Peter Zwiker, Daniel Ruiz und Stephanie Albert zum Herbst:
Was ist typisch Herbst aus Sicht der TEN, TCM und des Ayurveda?
Alex Peter Zwiker, TEN: «Herbst ist die Vorbereitung auf den Winter, es geht vor allem darum, sich jetzt gut auf die kalte Jahreszeit einzustimmen. Das heisst konkret: warm anziehen, auch wenn es mittags noch richtig angenehm wird, die Luft ist frisch. Und sich gesund und saisonal ernähren. Die Natur liefert uns genau das, was wir jetzt brauchen. Eine wärmende Kürbissuppe zum Beispiel oder Kohl-Eintopfgerichte stärken das Immunsystem. Auch Birnen und Äpfel sind sehr gut. Und als Prävention kann man Vitamin D3, K2 und C kombiniert mit Zink einnehmen, dazu viel schlafen. Eine Stunde Schlaf wirkt manchmal besser als jedes Ergänzungsmittel. Daneben soll Humor mit viel herzhaftem Lachen nicht fehlen.»
Daniel Ruiz, TCM: «Im Herbst sinkt die Energie, es ist die Vorbereitung auf den Winter. Die Säfte gehen zurück – von den Blättern in die Wurzeln –, in der Natur zeigt sich die Trockenheit. Das Organ-Paar Lunge und Dickdarm ist zentral. Lunge und Dickdarm – Yin und Yang. Die Lunge, weil sie die feinstoffliche Energie im Körper verteilt, auch die Abwehrenergie Wei-Qi, welche in dieser Zeit schwächer wird. Und der Dickdarm, weil Altes loslässt.»
Stephanie Albert, Ayurveda: «Herbst ist Vata-Zeit, sie ist von Wind und Trockenheit geprägt. Wenn der Körper trockener wird, ist es umso wichtiger, ihn gut zu nähren. Zum Beispiel mit hochwertigen Ölen. Das gelingt einerseits innerlich, ich empfehle, mit Ghee zu kochen. Andererseits nährt man den Körper äusserlich, zum Beispiel mit Sesamöl. Dieses hochwertige Öl dient als Basis zum Einmassieren und kann mit etwas Johanniskraut verfeinert werden.»
«Herbst des Lebens», sagt dir dieser Ausdruck etwas?
Daniel Ruiz, TCM: «Ja, symbolisch gesehen meint man mit dem «Herbst des Lebens» das Älterwerden, die Weisheit. In dieser Zeit wird der Mensch «trockener», das heisst, auch die Organe werden schwächer. Dadurch wird zum Beispiel das Essen weniger gut verdaut, sodass weniger Nährstoffe aufgenommen werden können. Auch ist der Herbst die Zeit des geistigen Heranreifens und des Abschiednehmens – Abschied von der Jugend, von den Kindern, der Zeugungsfähigkeit bei den Frauen. Und da Abschied auch Trauer bedeutet, ist es ein Zeichen der Reife, trauern zu können, nicht zu verdrängen, sondern zu akzeptieren.»
Alex Peter Zwiker, TEN: «In der TEN sprechen wir nicht unbedingt vom «Herbst des Lebens». Der Herbst kann man jedoch zum Element Erde zuordnen, da die Qualitäten, Kräfte, der Erde kalt und trocken sind. Im Herbst sollten sich Menschen mehr Zeit nehmen; wie es die Natur vorzeigt und die Tage kürzer werden, so wird auch der Mensch ruhiger. Daher sollte man sich auch wärmer anziehen und dazu viel trinken; Wasser ohne Kohlensäure und speziell wärmende Kräutertees. Im Sommer entstehen viele soziale Kontakte automatisch, im Herbst ist es wichtig, diese beizubehalten, jemanden einzuladen, auch Alleinstehende.»
Stephanie Albert, Ayurveda: «Ja, wenn du so fragst; Menschen, die älter werden, nähern sich der Vata-Zeit. Der Körper wird also trockener im Alter, genau wie im Herbst. Im Ayurveda sprechen wir nicht wirklich vom «Herbst des Lebens», aber diesen Vergleich mit dem Lebenszyklus und den Jahreszeiten gibt es schon.»
Weshalb darf der Herbst die Lieblingsjahreszeit sein?
Stephanie Albert, Ayurveda: «Ich liebe einfach Marroni! Und dann natürlich die gemütlichen Stunden daheim, ein Kerzli anzünden und die Ruhe geniessen. Da entsteht plötzlich mehr Raum; für mich, für Ideen, für die Zukunft.»
Daniel Ruiz, TCM: «Der Herbst unterstützt die Lunge, das ist ihre Präsenzzeit. Es ist daher zum Beispiel einfacher, in dieser Jahreszeit mit dem Rauchen aufzuhören. Herbstzeit ist auch gut, um das Klare und das Trübe zu trennen, um aufzuräumen. Persönlich geniesse ich die frische Luft draussen beim Wandern. Und die vielen Farben, den Nebel, die Stimmungen – einmalig!»
Alex Peter Zwiker, TEN: «Schön ist diese Vielfalt an Farben. Der Herbst bietet beste Gelegenheit, sich in Achtsamkeit zu üben: im Wald spazieren, spüren, wie das Laub unter den Füssen raschelt, die Tiere beobachten, den erdigen Duft und die Geräusche wahrnehmen. In diesem Sinne gelangen wir wiederum zum Erd-Element. Die Erde beziehungsweise der Herbst liefert uns den Funktionsraum, in dessen das Leben erst stattfinden kann. In der Achtsamkeit können wir die Aktivitäten vom Frühling und Sommer reflektieren und diese als Basis und Stütze unseres Lebensprozesses benutzen, daran Wachsen und uns Festigen.»
Hintergrund
Die TEN richtet sich nach den vier Elementen Luft, Feuer, Erde und Wasser. Das Element Erde ist dem Herbst zugeordnet – trocken und kalt. In dieser Zeit sind die Menschen nachdenklich, planend, gewissenhaft, verschlossen und manchmal auch stur. Es ist die Zeit der Melancholiker, die Zeit der Ruhe und Reflexion. Die Menschen ziehen sich zurück ins Innere, in ihre Häuser, sie grenzen sich ab. Durch das Reflektieren orientieren sie sich neu, setzen sich vielleicht neue Ziele.
Die TCM spricht von den fünf Wandlungsphasen oder auch fünf Elementen: Holz, Feuer, Metall, Wasser und Erde. Die Jahreszeiten werden diesen Elementen zugeordnet. Das Metall steht für den Herbst, für eine nach innen gerichtete Kraft. Herbst ist die Zeit der Reifung, des Sammelns und der Ernte. Im Herbst richtet sich das Qi, die Lebensenergie, nach innen, der Mensch unterscheidet von Wichtigem und Unwichtigem; Loslassen und Wertschätzung sind zentral.
Vata, Pitta und Kapha sind die drei Doshas in der ayurvedischen Heilkunde. Die Vata-Jahreszeit, der Herbst, ist durch das Luftelement geprägt. Innerlich ist der Mensch oft aufgewühlt, muss sich neu sortieren. Da ist es wichtig, das Vata zu besänftigen. Ansonsten sind Menschen anfällig auf Erkältung und Grippe. Aus Ayurveda-Sicht sind Wärme, gute Kleidung, gutes Essen und ausreichend Schlaf wichtig.
Alex Peter Zwiker ist dipl. Naturheilpraktiker TEN, dipl. Shiatsu-Therapeut, dipl. Ernährungscoach, dipl. Massage-Therapeut, Buchhalter und Controller. An der Heilpraktikerschule unterrichter er «Praxismanagement & QM» und «Praxisführung & Gesundheitsverständnis». Er hat eine eigene Praxis in Willisau.
Daniel Ruiz ist dipl. TCM-Therapeut in den Fachrichtungen: Akupunktur, Chinesische Arzneimittel und TuiNa. An der Heilpraktikerschule unterrichtet er «Chinesische Arzneimittel». Er hat eine eigene Praxis in Solothurn. Und er hat vor einigen Jahren einen Artikel zum Thema verfasst, hier.
Stephanie Albert ist Ayurveda-Spezialistin. An der Heilpraktikerschule unterrichtet sie als Dozentin der Rosenberg Europäischen Akademie für Ayurveda «Ayurveda-Ernährung», «Ayurveda-Beratungsstrategien» und «Yoga, Atem- und Entspannungstechniken» und sie ist Ressortleiterin von Ayurveda-Therapie KT. Sie hat eine eigene Praxis in Langnau am Albis.