«In China wird TCM- und West-Medizin als Symbiose verstanden»
Eigentlich ist Samael Agreda dipl. Masseur mit eigener Praxis in Basel. Jetzt bildet er sich zum TCM-Arzneimitteltherapeuten weiter. Das Praktikum dazu? In China. Hier antwortet er auf unsere Fragen.
Seit 2002 arbeitet er als dipl. Masseur, bald auch als TCM-Arzneimitteltherapeut mit eidg. Diplom: Samael Agreda ist fasziniert von chinesischen Kräutern.
Du hast dein TCM-Praktikum in einem öffentlichen Krankenhaus in Kunming absolviert, bist also bis nach China gereist. Warum?
Während meiner aktuellen Ausbildung zum Phytotherapeuten TCM wuchs auch mein Interesse an der chinesischen Kultur und Geschichte. Für mich war immer klar, dass ich mal nach China gehen will. Ich sehe die Ausbildung als eine grosse Bereicherung für mich und es ist nicht selbstverständlich, dass ich so ein riesiges Wissen von einer fremden Kultur lernen darf.
Wie verlief so ein typischer Arbeitstag?
Ein Arbeitstag ging von 08:30 bis 11:30 und von 14:30 bis 17:00 Uhr. Obwohl ich meistens bis 19 Uhr geblieben war. Ich war jeweils einen halben Tag pro Abteilung zugeteilt worden. Z.B. Onkologie, Dermatologie, Innere Medizin usw. Meistens war die Übersetzerin oder der Übersetzer jemand aus der Abteilung selber, bei Unklarheiten konnte sie oder er mir somit direkt auch Fragen beantworten. An einem halben Tag behandelten wir zwischen 30 und 40 Patienten – manchmal auch mehr.
Was hat dich am meisten beeindruckt?
Am meisten beeindruckt hat mich die Ruhe der Ärztinnen und Ärzte. Obwohl sie täglich zwischen 80 und 100 Patienten behandelten, strahlten sie eine erstaunliche Ruhe aus. Auch hat mich fasziniert, dass die Traditionelle Chinesische Medizin keine Berührungsängste mit der modernen Westlichen Medizin hat. Das Spital verfügt über Röntgen- und CT-Geräte, ein riesiges Labor etc. Die TCM- und die West-Medizin werden als Symbiose verstanden und auch gelebt, beide sind fester Bestandteil eines Arbeitsalltags.
Welches war die lustigste interkulturelle Panne?
Einmal kam eine circa 45 Jahre alte blinde Frau mit ihrer Schwester. Sie hatte eine starke Leber-Qi-Stagnation und schimpfte umher. Keine Ahnung, was sie sagte, aber weil sie blind war, schimpfte sie mich an. Wir liessen sie ausschimpfen und die Ärztin sagte ihr erst danach, dass ich kein Wort verstanden habe, da ich kein Chinesisch spreche. Alle fingen an zu lachen, auch die blinde Frau. Lachen ist die beste Medizin für eine Leber-Qi-Stagnation. Die blinde Frau entschuldigte sich mehrmals bei mir – es war herrlich!
Du hast wohl kaum Chinesisch gelernt, die PatientInnen kaum Baseldeutsch: Reichen Zungen- und Pulsdiagnose oder wie lief das?
Wie schon erwähnt, hatte ich immer eine Übersetzerin oder einen Übersetzer. Doch gerade mit den Namen der Chinesischen Kräuter und deren Aussprache war es eine echte Herausforderung. Die Chinesische Sprache fasziniert mich. Nach meiner Ausbildung werde ich noch mehr Chinesisch lernen. Ich denke, dass ich nicht das letzte Mal in China war.
Wie war der Umgang mit den Menschen?
Für mich war das Praktikum ein unvergessliches Erlebnis. Es war nicht immer einfach, so viele Eindrücke alleine zu verarbeiten. Die Chinesen wirken auf den ersten Blick sehr distanziert, aber wenn sie sich mal geöffnet haben, sind sie sehr herzvolle, liebe Menschen. Das Praktikum hat mich näher an die Menschen, die Kultur und so auch an die traditionellen chinesische Medizin gebracht, und dafür bin ich sehr dankbar: Xièxiè! Also: Danke!
Das noch: Du bist ja Masseur, wie bist du auf die Idee gekommen, TCM-Arzneitherapie und QiGong zu studieren?
Bei meiner ersten Berührung mit TCM war ich in meiner Ausbildung zum Fussreflexzonen-Therapeuten. Da kann ich mich noch ganz gut daran erinnern, dass ich von der Traditionellen Chinesischen Medizin noch gar nichts verstand. Gerade deshalb hat sie mich so fasziniert und ich wollte und will auch immer mehr darüber wissen. Ich möchte oder kann auch nicht bis 65 als Masseur arbeiten, deshalb sind Phyto-TCM und QiGong spannende Alternativen für mich.
Xièxiè, Samael, für das Gespräch!
Gern, Martin.
Das Team der ambulanten Onkologie-Abteilung: vorne links Frau Dr. Gou Lihua, daneben Samael Agreda und zweite von rechts in der hinteren Reihe Li Yuanhao, die Übersetzerin von Samael
Frau Xu ist zuständig für die PraktikantInnen aus dem Ausland und war Samaels direkte Ansprechperson.
Samael Agreda ist dipl. Masseur, er führt seine Praxis in Basel, seit 2002. Im Herbst 2020 schliesst er seine Weiterbildung zum TCM-Arzneimitteltherapeuten ab, dazu myQiGong.
www.massage-basel.ch