«Ich kann nicht so tun, als ob Hautprobleme einfach zu lösen wären»
Wir haben Ulrike von Blarer um ein Interview gebeten. Thema: Haut. Ulrike hat noch am selben Tag geantwortet. Anders, als wir gedacht hatten. Vier Minuten Lesezeit, lohnt sich.
Sie ist zwar in den Ferien, hat aber sofort zurückgeschrieben: Ulrike von Blarer über Hautprobleme und die TCM zur Früherkennung von Ungleichgewichten.
Ach, ich habe es versucht, doch das Thema Haut, Dermatologie, bringt mich an meine Grenzen. Ich merke, dass sich da etwas wehrt bei mir, wenn ich einfach so ein Interview dazu machen soll. Ich will kurz erklären, warum.
Weisst du, wir können in die Kosmetik gehen, und da werden Pickel ausgedrückt, Feuchtigkeitscremes und Salben aufgetragen, die Haut wird schön gemacht: auf der Oberfläche.
Oder, bei vielen Hautkrankheiten, lassen wir uns Cortison geben oder eine antibiotische Salbe, und die Haut wird besser. Aber das hilft selten lange, und die Erkrankung ist wieder da oder zeigt sich auf einer tieferen Stufe, zum Beispiel auf der Lunge, in Form von Asthma.
Da, bei der Haut, kommen ja auch gleich andere Themen zur Sprache. Die Haut spricht ja sowieso, sie zeigt anderen, wer ich bin. So ist die Haut auch diagnostisch hilfreich, zumindest gibt sie Hinweise. Oft ist ihr Zustand sogar ein Zeichen einer inneren Erkrankung. Und Themen rund um die Haut haben manchmal auch Zusammenhänge mit psycho-emotionalen Themen: Die Haut ist die Grenze von innen zu aussen, sie ist das, was man von mir sieht, sie hält mein Inneres zusammen, lässt Äusseres nur bedingt hinein, schützt mich, hilft mir.
Umwelt und Ernährung
Und die Haut ist immer mehr Belastungen ausgesetzt: Umweltgiften aus Luft, Kleidung, Schuhen, Möbeln, Häusern, Autos. Auch das, was wir selber in unseren Körpern produzieren, kriegt sie ab, wenn wir uns zum Beispiel auf eher fragliche Weise ernähren. Die Haut hat ja auch eine Ausscheidungsfunktion.
Es ist schwierig, die Aufnahme von Umweltgiften zu beeinflussen. Da ist es mit der Ernährung einfacher. Deshalb kurz etwas dazu: Viele wissen ja eigentlich, wie man sich gesund und mit Freude ernährt. Trotzdem scheut man oft den Aufwand. Obwohl der ja, wie es zumindest die AbsolventInnen von Kochen Basis wissen, alles andere als gross ist.
Vielleicht aus einer kleinen Bequemlichkeit. Vielleicht, weil sonst schon viel zu viel zu tun ist mit Arbeiten, Familie und Verpflichtungen. Da rutscht Ernährung auf der Liste weit herunter. Schliesslich gibt es ja für den Notfall an jeder Ecke industriell gefertigte «Nahrung». Und in den Supermärkten gibt es Gerichte und Snacks, halb und ganz fertige, fürs Büro und fürs Pausentascherl. Das ist halt einfach.
Sich organisieren
Es geht also um das Setzen von Prioritäten und um die Art, wie man sich organisiert. Ein kleines Beispiel: Eine Orange ist ja wirklich schnell geschnitten und gepresst. Ausser natürlich, das Schneidbrett ist irgendwo, das Messer stumpf, die Presse zuhinterst im Schrank. Da ist der Griff in den Kühlschrank zur Plastikflasche mit dem kalten industriell verarbeiteten Orangensaft inklusive Zuckerbeigabe natürlich einfacher. Und abends könnte man locker für den nächsten Tag ein paar Linsen vor sich hinköcheln lassen. Aber auch da gibt es offensichtlich noch einfachere Möglichkeiten.
Die Konsequenzen solch vermeintlich einfacher Griffe können sich an sehr prominenter Stelle zeigen, zum Beispiel eben auf der Haut. Auch hier ein kleines Beispiel: Trockene Haut, sie ist für viele etwas ganz Normales, und die Regale der Supermärkte und Drogerien sind voller Feuchtigkeitscremes.
Trockene Haut als Ungleichgewicht
Und doch: Für die TCM ist trockene Haut ein klares Zeichen für ein Ungleichgewicht, und zwar für einen Yin-Mangel oder einen Leber-Blut-Mangel. Da empfehle ich, eine TCM-TherapeutIn aufzusuchen. Die TCM ist ja auf Früherkennung ausgerichtet, und es ist verhältnismässig einfach, bereits dann etwas zu tun, wenn ein Ungleichgewicht erst schwach ausgeprägt ist.
An der Haut zeigt sich, dass Gesundheit eine Knacknuss ist. Und gleichzeitig, dass sie es nicht ist. Denn ich bin überzeugt, unsere Medizinalsysteme, sei es TCM, TEN, Ayurveda, auch die Schulmedizin, könnten diese Nuss knacken. Ich sage «könnten». Denn welche PatientIn schafft es, diesen Weg zu gehen, Prioritäten zu überdenken, den Alltag entsprechen zu organisieren? Und welche TherapeutIn schafft es, die Motivation ihrer PatientInnen hoch zu halten?
Juhui, Rückschlag
Dabei ist diese Anstrengung nur anfänglich, vielleicht während drei, vier Wochen. Und eigentlich sollte die Freude schon von Beginn an da sein: Juhui, ich ändere etwas zum Besseren. Das gibt Schwung. Und ab und zu wird es einen Rückschlag geben: Man steht an der Ecke und beisst in eines dieser Sandwiches. Das Gute daran: Man weiss wieder genau, dass man sich für den nächsten Tag wieder selber etwas macht.
Das sind also meine Gedanken zu Hautproblemen, aus Sicht meiner therapeutischen Praxis. Ich kann nicht so tun, als ob Hautprobleme einfach zu lösen wären. Erstens, weil manchmal innere Erkrankungen dahinter stecken. Zweitens, weil sie – scheinbar kuriert – auf tiefere Ebenen ausweichen. Drittens, weil sie mit unserem Lebensstil zu tun haben. Hautprobleme bringen unsere PatientInnen an ihre Grenzen. Auch das ist ja genau ein Haut-Thema.
Liebe Grüsse
Ulrike