«Es lässt dich grösser fühlen als das, was dir passiert ist»
Hercules (California)/ Luzern, 31. Oktober 2017 – Don Joseph Goewey hält wieder einen öffentlichen Vortrag bei uns an der Schule. Am 2. November geht es um Ängste, Traumata und Verluste: Don lehrt uns, wie wir unser Leben in unserer Hand haben und so glücklich wie möglich werden.
Don Joseph Goewey: «Innerer Friede führt zu Freiheit. Er hilft, Wut, Hass und Rachegedanken loszulassen.» Photo: Monique Wittwer
Don, in deinen Vorträgen berichtest du über deine Erfahrungen mit Krebspatienten und Kriegsflüchtlingen. Was verbindet diese Extremsituationen mit unserem normalen Alltag?
Resilienz. Das ist eine besondere menschliche Fähigkeit, die wir im Alltag nutzen und die uns auch in Extremsituationen hilft, weiterzukommen.
Wie ist das zu verstehen?
Resilienz ist der Prozess, ein Trauma zu akzeptieren, es durchzusprechen und daran zu arbeiten. Es geht darum, die Betroffenen psychologisch und geistig zu stärken. So erneuert sich der Glaube an Leben und Liebe allmählich wieder. Die Betroffenen finden den Mut, sich wieder vorwärts zu bewegen. Jeder von uns hat die Fähigkeit der Resilienz. Sie ist eng verknüpft mit der spirituellen Seite unserer menschlichen Natur. Alle Leute, mit denen ich zusammengearbeitet habe, haben diese menschliche Fähigkeit bewiesen. Auch im Alltag unterstützt uns die Resilienz: Sie bietet uns allen die grossartige Gelegenheit, eine gute Zeit zu haben, Spass und mehr Mitgefühl und Freundlichkeit anderen Menschen gegenüber.
Spiritualität – Du sagst also, dass man religiös sein muss, um ein Trauma oder einen Verlust zu heilen?
Nichts gegen Religiosität, aber das meine ich gar nicht. Ich beziehe mich auf unsere spirituelle Natur, nicht darauf, religiös zu sein oder an einen Gott zu glauben. Es geht darum – vielleicht zum ersten Mal – den Gott deines eigenen Wesens zu erreichen. Er ist der Sitz deines eigenen Selbstwerts und gehört zum Menschsein dazu. Das lässt dich grösser fühlen als das, was dir passiert ist. Es löst deinen Schmerz nicht unbedingt auf, aber es würdigt dein Leiden – indem du es in etwas Höheres und Wichtiges integrierst, das du selbst bist. Das ist Stressabbau. Wir alle müssen lernen, wie wir uns besser und stärker mit unserer spirituellen – oder wenn du lieber magst: mit unserer geistigen Natur verbinden. Dazu gibt es ganz einfache Übungen, und der Trick ist, täglich zu üben. Diese Übungen versüssen uns die guten Zeiten. Und sie unterstützen uns und unseren Glauben dabei, schwere Zeiten zu überwinden.
Okay, zurück zur spirituellen Seite. Wie nutzen wir sie, um uns zu erholen?
Die Heilung geht oft mit einer Erkenntnis einher: Das, was im Kern unserer menschlichen Natur ist, ist die Liebe. Sie hilft uns, die psychologische Abspaltung zu überwinden und nach einem traumatischen Ereignis wieder zu einem Ganzen zu werden. Sie weckt eine ausserordenliche Kraft in uns. Diese Kraft stellt uns wieder auf die Beine, leitet uns vorwärts durch das Gute und Böse des Lebens und führt uns zum höchsten Ausdruck unserer selbst, zur Liebe. Es ist, als ob sich mit der Heilung der Kreis wieder schliesst. Heilung ist immer eine Rückkehr zur Liebe. Wer ein traumatisches Ereignis oder einen Verlust erlebt hat, hat viel Schmerz zu lösen und grosse Ängste zu entwirren, was viel Zeit beansprucht.
Wie geht das?
Man redet mit Leuten, die verstehen, was man durchmacht. Man muss lernen, seinen Geist zu beruhigen und auch die flüchtigen Glücksmomente zu geniessen. Üben, keine Angst mehr zu haben. Den Mut finden, sich aus der Asche zu erheben und sich neu zu erschaffen. Es gibt praktische Übungen, die einen durch alle Veränderungen und darüber hinaus begleiten. Ein wichtiger Schritt nach Traumata und Verlusten ist das Verständnis, dass Vergebung notwendig ist.
Vergebung?
Ja, tatsächlich, aber dieser Schritt ist nötig, auch wenn er besonders schwer fällt: Vergewaltigungsopfer, Kriegsflüchtlinge, die aus der Heimat vertrieben wurden. Auch Eltern, die ihr Kind verloren haben. Sie fühlen sich schuldig, sie müssen sich vergeben.
Was bringt eine Person schlussendlich dazu zu verzeihen?
Die Erschöpfung. Sie kommt davon, dass wir eben nicht vergeben. Dazu kommt unsere innere Sehnsucht nach Frieden. Vergebung ist keine einmalige Sache, es ist eine Fertigkeit, die wir trainieren können. Je mehr wir das tun, umso deutlicher wird, dass sie ihr Versprechen nach innerem Frieden einlöst. Es ist eine Möglichkeit, Wut, Hass und Rachegedanken loszulassen. Das ist ein starkes Ergebnis. Es führt zu Freiheit, und es ist diese Freiheit, die Menschen motiviert, weiter daran zu arbeiten.
Ist die Heilung von einem Trauma immer mit einer spirituellen Einsicht verbunden?
Ja, denn oft schadet ein traumatisches Ereignis oder ein Verlust dem Glauben an das Leben. Ein anhaltender Verlust dieses Glaubens ist eine Form von Depression. Diese psychischen Schmerzen kann man unmöglich heilen, wenn die Geisteshaltung in einer hoffnungslosen Situation ist. Glaube ist eine spirituelle Qualität. Also führt der Weg zur Heilung über Instrumente, die diese spirituelle Natur wecken. Wenn dir das – auch nur ein bisschen – gelingt, dann beginnst du wieder Hoffnung zu erfahren, und diese Hoffnung stärkt allmählich deinen Glauben. Dadurch verbessern sich die Heilungschancen erheblich.