«Jeder Mensch sitzt in seinem ganz persönlichen Goldfischglas»

Luzern, 30. Oktober 2012 – Was bringt Coaching? Als persönliche Weiterentwicklung hilft Coaching, die eigenen Begrenzungen zu erfahren und zu überwinden. Das steigert Authentizität und kommunikative Kompetenz. Gemäss aktuellen Forschungen sind das zwei wesentliche Erfolgsfaktoren für die therapeutische Praxis: Behandlungen – egal welcher Therapiemethode – werden erfolgreicher.

Ina Hullmann: «Coaching hilft, authentischer und kommunikativer zu werden, und das sind gute Neuigkeiten für TherapeutInnen. Denn: Je authentischer und kommunikativ stärker eine TherapeutIn ist, desto wirksamer ist ihre Behandlung – unabhängig von der Therapiemethode.»

Coaching als persönliche Weiterbildung führt zu mehr Leichtigkeit, Zielorientierung und einem guten Selbstgefühl. Das ist die persönliche Seite des Coachings, und diese Seite hat einen wesentlichen Einfluss auf den Behandlungserfolg von TherapeutInnen: Von Akupunktur über Kinesiologie bis hin zu Shiatsu – Coaching-Techniken helfen, Behandlungsprozesse zu optimieren.

Aktuelle Forschungsergebnisse aus der Psychotherapie belegen, dass die Wirksamkeit einer Therapie stark von der Persönlichkeit der TherapeutIn abhängt: Ausgeprägt authentische und kommunikativ starke TherapeutInnen erzielen die besseren Behandlungserfolge, unabhängig von der Therapiemethode.

Coaching hilft, KlientInnen sanft, zielorientiert und erfolgreich durch die Behandlung zu führen – und nicht selten in ein neues Leben.

Ina Hullmann ist Diplom-Psychologin und führt seit 2009 ihre Praxis für Coaching und Hypnotherapie in Zürich. Ina unterrichtet an der Heilpraktikerschule Luzern Module aus den Praxis Fachthemen.

Ina, was ist ein Goldfischglas?

Ina Hullmann: Ein Goldfischglas begrenzt die Wahrnehmung und verzerrt die Realität. Und jeder Mensch sitzt im übertragenen Sinne in seinem ganz persönlichen Goldfischglas. Wir schauen durch das Glas in die Welt, und alles, was wir erlebt haben, und unsere Überzeugungen, Religion, Schulbildung und so weiter, all das wirkt sich darauf aus, wie wir die Welt da draussen wahrnehmen. Erst wenn wir aus diesem Goldfischglas herauskommen, entdecken wir ganz neue Möglichkeiten und bekommen neue Erkenntnisse. Vor allem muss man als erstes anerkennen, das man selbst in diesem Glas sitzt, um dann den nächsten Schritt zu tun: seine Perspektive erweitern.

Wie erkenne ich, ob ich da drin bin?

Jeder Mensch befindet sich phasenweise oder auch lebenslang in einem solchen mentalen Glas. Das Bewusstsein über diese Beschränkung der eigenen Wahrnehmung ist schon der erste Schritt raus aus dem Glas. Wir erkennen dann unser Ego – es ist die Summe unserer Überzeugungen und Einbildungen. Wir haben feste Annahmen und Erwartungen an uns, die anderen und die Welt. Teilweise werden uns auch viele Einschränkungen und Überzeugungen suggestiv verabreicht durch Medien, Werbung, Religion usw. Also, wir sind erst dann aus dem Glas raus, wenn es uns bewusst ist, dass wir normalerweise drin sind. Doch in dem Moment, wo wir bereit sind, aus dem Goldfischglas zu kommen, fehlerhafte Selbstüberzeugungen zu erkennen und das Ego für einen Moment wie einen Mantel abzulegen, schauen wir plötzlich wie von oben auf uns selbst – und wir erkennen, wie selbstgemacht unsere Grenzen sind. Natürlich brauchen wir unser Ego danach wieder – wie einen wärmenden Schutzmantel für die Herausforderungen des Alltags.

Wie komme ich da raus?

Es gibt viele Techniken, einige davon muss man ein wenig üben, aber es lohnt sich. Man ist sich dann dieser einschränkenden Sichtweise bewusst, die unser Ego mit sich bringt, kann aus dieser Sichtweise aussteigen, eine neue Perspektive einnehmen und die Welt viel klarer sehen. Meditation ist nur eine der vielen Möglichkeiten, aber eine sehr gute, wie ich finde. Auch das Bewusstsein, jedem Menschen mit Respekt, Wertschätzung und Achtsamkeit zu begegnen, ist eine Möglichkeit, sich über die Grenzen des Glases zu erheben. Der Königsweg ist aus meiner Sicht, an sich selber, an der eigenen Persönlichkeit zu arbeiten. Und man staunt, zu wie viel man in der Lage ist – sehr viel mehr nämlich, als man sich jemals zugetraut hätte.

Wie kann ich eigentlich sicher sein, dass ich nicht mehr in diesem Goldfischglas bin?

Immer dann, wenn man in den typischen Teufelskreis negativer Gedanken und Emotionen gerät, kann man sicher sein, dass man im Glas sitzt. Es hilft sehr, sich des Goldfischglases und unserer verzerrten Wahrnehmung unseres Ego bewusst zu sein, gerade in emotional schwierigen Situationen. Dann kann man die Perspektive erweitern, und plötzlich sieht man ganz andere Lösungsmöglichkeiten.

Wie erkennt eine TherapeutIn, ob eine PatientIn in einem Goldfischglas steckt?

Menschen, die eine sehr negative Sichtweise haben, fokussieren sich oft mehr auf Probleme als auf Lösungen. Meistens sind sie in diesen negativen Emotionen gefangen. Alleine schaffen sie es meistens nicht, aus ihrem Goldfischglas herauszukommen. Als Coach spiegelst du die Situation, und deine KlientIn kann auf einmal eine bessere Perspektive einnehmen. Plötzlich tauchen Lösungen auf, und die KlientIn schafft es, Schritt für Schritt eine gesündere Perspektive einzunehmen.

Kann ich dieser Patientin überhaupt helfen? Braucht es da nicht einen echten Psychotherapeuten?

Chronische psychiatrische Krankheitsbilder gehören immer in die Hände einer PsychotherapeutIn oder einer ÄrztIn. Aber man kann mit der Technik des Perspektivwechsel einiges an Stabilität und positiven Prozessen aktivieren. Manchmal reicht schon ein Stupser in diese Richtung, um positive Effekte auszulösen. Gerade bei Menschen, die in einer Lebenskrise stecken, schafft diese Technik Klarheit, Stabilität und emotionale Balance, und das mit wenig Aufwand.

Was nützt es meinen KlientInnen, wenn ich mich durch Coaching persönlich weiterentwickelt habe?

Unabhängig von jeder Therapiemethode gilt: Die Wirksamkeit einer Therapie hängt stärker vom Therapeuten ab, als wir gedacht hatten. Das zeigen neue Forschungsresultate. So belegt zum Beispiel Prof. Schiepek, Leiter des Institutes für Therapieforschung an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg: Je ausgebildeter Authentizität und kommunikative Fähigkeiten einer TherapeutIn sind, desto effektiver ist die Behandlung – und das, wie gesagt, völlig unabhängig von der Therapiemethode.

Woran liegt das?

Prof. Schiepek sieht ein Zusammenspiel von drei Faktoren: erstens die Therapiebeziehung zwischen TherapeutIn und PatientIn, zweitens die Erwartungshaltung der PatientIn und drittens die Persönlichkeit des Therapeuten. Das alles sind die entscheidenden Faktoren für den Erfolg der Therapie. Die Persönlichkeit der TherapeutIn ist dabei am wichtigsten. Schliesslich gestaltet die TherapeutIn die beiden anderen Faktoren, also die Therapiebeziehung und die Erwartungshaltung, zu einem grossen Teil mit. Und genau deswegen ist es so wichtig, dass TherapeutInnen ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. In der Coaching-Ausbildung lernen TherapeutInnen, eine vertrauensvolle, heilsame therapeutische Beziehung zu ihren PatientInnen aufzubauen. Dazu gibt es sehr hilfreiche Techniken, die wirklich ganz leicht zu erlernen sind. Diese Techniken helfen in hohem Masse, den Behandlungsprozess zu einem guten Ergebnis zu führen.

Coaching-Techniken helfen mir also, mit meiner Methode noch besser zu behandeln?

Ja, das gilt als erwiesen. Ausserdem kommt es ja hin und wieder vor, dass eine KlientIn sich selbst im Weg steht, ja sich sogar selber sabotiert und so daran hindert, gesund zu werden. Im Kurs lernen die TeilnehmerInnen Techniken, wie sie solchen KlientInnen eine besonders gute Hilfe sind. Es braucht Lösungs- und Zielorientierung, und diese unterbewussten Blockaden und Sabotageprogramme müssen erkannt und am besten eliminiert werden. Ich glaube, Coaching kann HeilpraktikerInnen sehr gut dabei helfen, mit ihren Therapien noch erfolgreicher zu sein. 

Hat Coaching eigentlich klare Indikationen?

Glücklicherweise nicht. Zum Coaching kann jede und jeder gehen, wenn sie oder er Fähigkeiten, innere Stabilität oder Balance verbessern möchte – du trainierst im Coaching deinen seelischen und mentalen Bizeps. 

Ein bisschen wie im Fitnesstudio, also?

Ja, und wenn deine Muskeln stärker werden, dann hast du einfach mehr Kraft in den vielen schwierigen Situationen des Lebens. Und jede und jeder muss für sich selber entscheiden, ob sie oder er sich weiterentwickeln möchte oder nicht. Meistens kommen Menschen erst, wenn sie in einer echten Krise feststecken. Leid ist häufig der Motor der menschlichen Entwicklung. Dabei staune ich immer wieder, welche grossartigen Fähigkeiten meine KlientInnen schon mitbringen und wie sie instinktiv einen guten Weg im Leben einschlagen. Manchmal ändern sich aber die Umstände im Leben drastisch und meistens muss sich die betreffende Person dann «updaten».

Das heisst?

Ein Verhaltensmuster, das immer gepasst hat und deshalb fest verankert ist, funktioniert  nicht mehr oder macht im schlimmsten Fall krank. Jetzt ist der Moment gekommen, über sich selbst hinauszuwachsen und etwas Neues zu lernen, ein Talent zu aktivieren und stärker zu werden. Unser Unterbewusstsein hält so viele Ressourcen für uns bereit, dass es jammerschade wäre, diesen versunkenen Schatz nicht zu bergen. Man verhindert nicht nur Krankheit, sondern holt sogar ein Stück Glück.

Dieser versunkene Schatz bringt auch Leichtigkeit, und diese Leichtigkeit ist dir ganz wichtig. Warum?

Es ist eine Einstellung, quasi mein Goldfischglas oder meine Sonnenbrille, durch die ich auf die Welt schaue. Diese Einstellung bringt sehr viele Vorteile mit sich. Unsere Grenzen sind zunächst nur im Geiste vorhanden. Und wir überwinden sie nicht, wenn wir uns von vornherein einbilden: «Das wird sicher zu schwer sein.» Wenn wir mit spielerischer Leichtigkeit, mit Offenheit auf Herausforderungen zugehen, werden diese sicher einfacher und erfolgreicher verlaufen, als mit einer Einstellung von Schwere und Unmöglichkeit, wie z.B.: «Sicher versage ich! Das ist mir zu schwer!» Ich sage meinen KlientInnen lieber: «Es wird einfacher sein, als du jetzt denkst, mit Leichtigkeit neue Lösungen zu finden.»

Können auch andere Personen als TherapeutInnen diese Ausbildung absolvieren?

Im Zentrum dieser Coaching-Ausbildung steht die Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit, und das macht einen Grossteil der Ausbildung aus. Erst dann kann man anderen als Coach in dieser Sache beistehen. Die Techniken, die ich in der Ausbildung vermittle, sind universell einsetzbar, z.B. können Eltern diese Techniken auch bei ihren Kindern einsetzen, um sie zu führen. Trotzdem wollten wir diese Ausbildung auf angehende und erfahrene TherapeutInnen beschränken, einfach deshalb, weil dann schon eine gemeinsame Basis und ein gemeinsames Verständnis da ist. Aber grundsätzlich geht es darum, sich selbst in eine gute Richtung zu coachen und das später auch dem Gegenüber zu vermitteln. Nur so ist das Ganze auch authentisch, wenn man die eigenen Techniken auch vorlebt. Wenn jemand, der nicht angehende oder erfahrene TherapeutIn ist, diese Ausbildung wirklich absolvieren möchte: herzlich willkommen.

Besten Dank, Ina.

Ina Hullmann

Dipl.-Psych., mit wissenschaftlichem Schwerpunkt Hypnosetherapie, vier Jahre klinische Tätigkeit in Fachkliniken, seit 1999 selbstständige Unternehmensberaterin mit eigener Coaching-Praxis zunächst in Hamburg, seit 2009 Coaching-Praxis in Luzern und Zürich, TV-Psychologin und Familiencoach bei VOX, coacht u. a. Mediziner, Moderatoren, Leistungssportler und Führungskräfte, Buchautorin und Dozentin, u. a. an der Heilpraktikerschule Luzern

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Coaching – Innere Ordnung schaffen

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